Die BMW E30 Story. Teil 1: Ohne Knowhow Oldtimer kaufen.
Man kann sich um eine vierstellige Summe einen Gebrauchten anlachen, an dem man sich mit etwas Glück über Jahre hinweg erfreut. Oder einen desolaten Allrad-325er der Baureihe E30, samt Teilehaufen und Ersatzgetriebe. Ja, heute höre auch ich die Alarmglocken läuten.
Text: Patrick Aulehla | Fotos: Patrick Aulehla
Als Autoaffiner auf Gebrauchtwagensuche möchte man ja immer den besten Bock abschießen. Wenig Geld für ein Museumsstück hinlegen, nach dem sich dein Freundeskreis aus Gleichgesinnten den Kopf verrenkt, versuchend dabei Haltung zu bewahren und sich den Neid nicht anmerken zu lassen, den du mit deinem Kauf-Können provozierst. Da wird auch nicht viel angekündigt, du rollst beim nächsten Feierabendbier ganz beiläufig in die Halle rein. Bleibt's sitzen, findet man an jeder Ecke, Freunde. Dann rütteln sie und klopfen, inspizieren Bauteil nach Bauteil, studieren Typenschein und Ausstattungsliste, um dir immerhin sagen zu können, dass die Blinkerlämpchen aber wirklich nicht die originalen sind. Ein Gerücht, das du mit einer lückenlosen Historie entkräftest: Erstbesitz natürlich, eingestellt vom Werksingenieur, nur regelmäßig warm- und kaltgefahren, Öl- und Kerzenwechsel im Wochentakt, gelagert bei 20 Grad im Humidor - eine Selbstverständlichkeit.
Wenn aus Träumen irgendwann Wirklichkeit wird, ergibt sich in aller Regel eine Diskrepanz zwischen dem, was du möchtest, und dem, was du bekommst. Diese Diskrepanz kann klein sein - Bordwerkzeug doch nicht vollständig, ach herrje. Oder größer. So groß, dass beim Erstkontakt mit der Hebebühne deren Arme in deiner Karosserie versinken und dein Auto am Querlenker ums Überleben klammert. Kein schönes Gefühl, und da spreche ich leider aus Erfahrung.
Wer suchet, der findet. Nicht.
Wir müssen im ersten Teil dieser Geschichte dorthin zurückspringen, wo es weh tut - in den April des Jahres 2016. Ich befinde mich auf der Suche nach einem BMW der Baureihe E30, dem Idol meiner Jugend. Nur die Argen sind 2000 mit so einem um die Kurve gebogen, während ich zur örtlichen Teststrecke mit dem Fahrrad strampeln musste. Außerdem ist der E30 der letzte Dreier mit klassischen BMW-Qualitäten: Doppelte Rundscheinwerfer, eine klare Silhouette, ein kultivierter, feiner Reihensechser. Damals noch leicht zu finden und für gutes Geld zu haben, heute sollen schöne ein halbes Jahresgehalt kosten. Und da reden wir noch gar nicht von den potenten Exemplaren: Sogar für die 316er-Abteilung werden fünfstellige Beträge aufgerufen, ein M3 oder Alpina soll dann schon sechs Nummern haben. Ich weiß zwar nicht, wer beschlossen hat, Vierzylinder fahren ohne Radio wäre zehn Tausender wert. Aber bitte, sollen sie es bekommen, wenn sie einen finden.
Das klingt jetzt vielleicht nach präventiver Rechtfertigung, und da ist bestimmt auch etwas Wahres dran. Aber sie stehen nicht an jeder Ecke, die Stückeln in deiner Wunschkonfiguration. Ein 325er musste es sein, weil es eben doch einen Unterschied macht, ob da 2 oder 2,5 Liter an der Kurbelwelle drehen, und über alles andere fangen wir gar nicht erst zu diskutieren an. Aus der Vorfacelift-Reihe sollte er stammen, Zweitürer war ebenso wie Schiebedach Pflicht, und eine halbwegs lässige Farbe bitte. Diamantschwarz oder Lachssilbermetallic, dass sie ein bisschen spannender wird, die Suche. Ein sattes Pflichtenheft also für ein 30 Jahre altes Auto, und da ist der Umstand 325er Challenge noch gar nicht erwähnt. Wahrscheinlich die Hälfte des 325er-Bestandes wurde dort zu Tode gerichtet, was übrig blieb, fiel dem Forstinger-Katalog zum Opfer. Keine leichte Zeit für ein liebenswertes Auto, das zeigt auch die Probe aufs Exempel bei Autoscout24.
Das war nix: Suche nach einem 325er VFL 2-Türer mit Schiebedach, Farbe egal.
Geduld ist also das oberste Gebot beim E30-Kauf, und die kann über Monate, manchmal sogar Jahre hinweg strapaziert werden, ohne dass sich viel verändern würde an deiner misslichen Lage. Dann ist es doch fast besser, in eine schwächelnde Projektbasis zu investieren, und die paar Euro in Arbeitszeit und Bierkisten zu stecken,
3,2,1, deins.
So eine doch ein bisschen mehr als geplant schwächelnde Projektbasis wurde es schließlich auch für mich. Ein Allrad, dafür halbwegs leistbar und, soweit man sagte, in brauchbarem Zustand. Ein paar Tage wäre er im Freien gestanden, aber dafür gibt's einen Haufen an Trümmer dazu, ein ganzes Getriebe und Stoßleisten und Felgen und so weiter. Natürlich schreit das Fehlkauf in den höchsten Tönen, aber worauf noch warten nach dem ewigen Nichts, und überhaupt, wie schlimm soll es bitte werden? Außerdem wollte ich sowieso ein bisschen selber schrauben, und wenn's dann gar nichts auszusetzen gäbe, wäre ja nichts hinzubiegen in den fünf oder sechs Monaten, die ich dafür aus meinem Standkalender gerissen habe. Also Geld auf den Tisch, Blaue aufs Auto und ab in Richtung Heimat.
Aus der Ferne gar nicht so schlecht, eigentlich. Die Hebebühne zeigte ein anderes Bild.
Dass ich auf Achse zu unserer vorübergehenden Bleibe gekommen bin, sollte mich bald noch überraschen, und doch war die Überstellungsfahrt meine erste echte Auto-Freude. Zweiter Gang, dritter Gang, vierter Gang - aus den Resten der Auspuffanlage, die am porösen Haltergummi über die Südosttangente schleift, schreit die unverkennbare Bayernsymphonie. Kein ESP, das dich fängt, kein ABS, das dich bremst - das muss dieses Oldtimer-Glück sein, von dem sie alle reden. Sollen sie dich doch gern haben in ihren SUV-Prothesen, wie sie im Hochsitz von Termin zu Termin hechten, und ganz vergessen, dass der Weg das größte Ziel sein sollte!
Ein Zitat, das vermutlich von einem Oldtimerfahrer stammt, dessen Fuhre schon auf allen Pannenstreifen Österreichs ihr Öl verloren hat. Es ist trotz aller Nostalgie dann nämlich doch ganz fein, mit seinem Fahrzeug dort anzukommen, wo man schlussendlich gerne wäre, anstatt ellenbogentief in irgendwelchen Innereien zu kramen, weil ein 5 Cent Dichtungsring gerade die Kolben faschiert. So viel kann ich ja mittlerweile verraten: Oldtimerfahren ist wie eine dieser Soziales-Selbstbefriedigungsfernsehen-Teenager-Beziehungen, die manchmal richtig gut läuft, und manchmal einen Notarzt braucht, um dir das Messer aus dem Oberschenkel zu ziehen, weil du Daniela aus der Nachbarklasse jetzt schon zum dritten Mal nach ihrem Bleistift fragst und irgendwann einfach einmal Schluss sein muss.
Dabei darf ich mich über mangelnde Verhältnismäßigkeit eigentlich nicht beschweren. Mein Auto hat die Karten recht bald auf den Tisch gelegt - zumindest für Gerhard, den Chef meiner angetrauten Werkstatt. Als wir den Bayern zum ersten Mal aufheben wollte, ist er mit Besen und Schaufel zur Hebebühne spaziert. Da bin ich mir ein wenig blöd vorgekommen mit dem Rostumwandler in der Hand, während sich mit zunehmendem Luftstand meines Autos die Verwüstung offenbarte. So schnell kann's gehen, fünf Minuten zuvor bin ich mit dem Sonnenhut gedanklich in den Sonnenuntergang gefahren. Jetzt hab ich den Verdacht, dass es zu optimistisch war, den Sportauspuff sofort zu montieren.
Alles hin, aber immerhin laut auf der Bühne
Umso näher wir der Substanz des Autos kamen, umso schlimmer das Erlebnis. Wer braucht schon Türen, wenn man durch die Rostlöcher in den Innenraum kommt, und wenn nur wer bremst verliert, hätte ich immer gewonnen, weil Bremsleitungen hatte ich defacto keine mehr. Die braune Pest dürfte sich in den paar Tagen, in denen das Auto im Freien stand, so konsequent in das Blech gefressen haben, dass man den Unterboden auch hätte zum Frühstück servieren können. "Junger Mann, Ihr Rostmüsli. Guten Appetit!"
Aufgegeben? Werden nur Briefe.
Bevor wir für dieses Mal zum Abschluss kommen und uns im zweiten Teil der E30 Story bald einer ausführlichen Bestandsaufnahme widmen, bin ich aber noch eine Antwort schuldig: Ja, wir haben ihn behalten. Natürlich hätte der kluge Mensch von Welt die paar Tausender auf Lebenszeit als Deppensteuer abgeschrieben und den Kübel samt Teilehaufen aufs Alteisen geführt. Aber aufgegeben werden Briefe hat der Großvater immer gesagt. Gut. Der hat auch nie einen Oldtimer restauriert.
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