BYD Seal Excellence AWD 2024 Test: Geht nicht, gibt’s nicht
Beschleunigen wie ein Porsche, Preise wie eine Verbrenner-Mittelklasse: Mit dem Seal Excellence AWD hat der chinesische Batterie- und Autohersteller BYD ein ernsthaftes Elektroauto auf den österreichischen Markt gebracht, das Schwächen nur im Detail offenbart.
Text: Patrick Aulehla | Fotos: Oliver Hirtenfelder
Wurden früher noch Motorenbezeichnungen oder Hubraumangaben auf das Heck eines Fahrzeugs geschrieben, sind es heute Sekunden. „3,8 s“ trägt der BYD Seal als Schriftzug auf dem Kofferraumdeckel, und gemeint ist damit freilich nicht die Ladezeit, sondern die Dauer für den Sprint auf 100 km/h. Ob das das entscheidende Kaufkriterium für eine Mittelklasse-Limousine ist, darf bezweifelt werden, und abgerufen wird diese Möglichkeit wohl auch eher selten. Dieses Statement ist wohl als Erinnerung zu verstehen, die sich die Besitzer bei Notwendigkeit ins Gedächtnis rufen können: Mein Auto kostet als Topmodell 51.380 Euro - ohne Förderungen - und kann trotzdem einen Standard-Neuelfer an der Ampel abziehen. So viel dazu, Muskelkäfer.
Der Name ist Programm: In 3,8 Sekunden geht's im Seal Excellence AWD von Null auf Hundert
So fährt der BYD Seal: Weit, schnell und komfortabel
Worauf man bei BYD neben der irren Beschleunigung noch stolz sein kann, ist, dass der Seal ausgesprochen gut fährt. Vor allem komfortabel, was dem in der Excellence-Variante serienmäßigen adaptiven Fahrwerk zu verdanken ist. Das Auto liegt satt auf der Straße, gibt Erschütterungen nur homöopathisch durch und bleibt auch bei ambitioniertem Kurvenfahren stets stabil. Wer dem chinesischen Alltagssportler die 3,8 Sekunden nicht zu oft abverlangt, der freut sich außerdem über eine ordentliche Reichweite, die sich in unserem Praxistest bei gut 450 Kilometer eingependelt hat (530 Kilometer sollten es laut WLTP sein). Nachgeladen wird die Lithium-Eisenposphat-Batterie, vulgo Blade Battery, mit bis zu 150 kW, und: Sie soll sicherer und „nicht entzündlich“, sein, außerdem niedrigen Temperaturen besser trotzen. Beides haben wir nicht ausprobiert, aber zumindest die Behauptung Kälteresistenz wurde in vielen Tests bereits bewiesen.
Per Mode-Schalter lassen sich die Fahrmodi justieren. Das Fahrwerk macht mit.
Preis-Leistung: Das Steckenpferd der Chinesen
Ebenfalls sehr gut macht sich der BYD Seal in Sachen Basisausstattung. Schon im 48.380 Euro teuren und 313 PS starken „Basismodell“ Design RWD (Hinterradantrieb) sind alle erdenklichen Features dabei – Navi, Assistenzsysteme, induktives Laden, 2-Zonen Klima, Wärmepumpe et cetera. Unser Topmodell Excellence bringt neben Allradantrieb und 530 PS außerdem noch ein Head-Up Display und das adaptive Fahrwerk mit.
Auch in Sachen Verarbeitungsqualität kann der Seal überzeugen. Gesteppte Ledersitze sind Standard-Programm, ebenso wie das sauber verarbeitete und mit Wildleder (!) bezogene Armaturenbrett und die schön eingebetteten Dynaudio-Lautsprecher. Etwas mehr Liebe hätte man der Mittelkonsole schenken können, aber angesichts des Preises und der, nun ja, auch in vielen Premium-Fahrzeugen nicht unbedingt besseren Ausführung, wirkt dieses Argument dann doch sehr kleinlich. Gar nicht so kleinlich ist der Kofferraum: Mit einem Volumen von 402 Liter plus 53 Liter im Frunk (Front-Trunk alias vorderer Kofferraum) ist man auf Augenhöhe mit dem Mitbewerb, wenn auch nicht ganz vorne dabei.
Sauber verarbeitet und hübsch anzusehen: Im Innenraum des BYD Seal lebt es sich angenehm.
Sprachsteuerung, Infotainment und Assistenten
Wo der BYD Seal ganz vorne dabei ist, ist bei der Sprachsteuerung. Der Assistent „hi BYD“ kann nicht nur das bis heute noch übliche Sitz und Platz (also beispielsweise ein Navigationsziel eingeben), sondern schafft auch Kunststücke wie „Lass alle Fenster herunter“. Völlig ohne Aufpreis, versteht sich. Doch so gut das Infotainmentsystem auch funktioniert: Für das Eindeutschen der Funktionen sollten die Chinesen eine andere Agentur engagieren. Zum Beispiel wird „Fahrer“ mit „Treiber“ übersetzt, oder die Stärke der Rekuperation mit „Intensität der Energierückmeldung“. Wer sich hier auf Anhieb zurechtfinden möchte, muss Kreativität mitbringen.
Und noch einen Kritikpunkt haben wir gefunden: Die Assistenzsysteme sind nicht in letzter Konsequenz feinjustiert, was etwa zu oft missinterpretierten Geschwindigkeitslimits und in Folge dauerhaftem Alarmschrillen führen kann. Und auch bei der Anzeige der Geschwindigkeitsanzeige hat es BYD eine Spur zu genau genommen: Stellt man den Tempomaten beispielsweise auf 130 km/h ein, dann springen die Zahlen in Tacho und Head-Up Display im Hundertstelstakkato zwischen 128 und 132 km/h herum, was zumindest Fahrer mit leichten ADHS-Anwandlungen nervös werden lässt.
Ist der BYD Seal rundum gelungen?
Fazit zum BYD Seal Excellence AWD
Abgesehen von kleinen Detailschwächen ist der BYD Seal Excellence AWD ein rundum gelungenes Elektroauto, das neben viel Komfort, umfangreicher Ausstattung und abenteuerlichen Fahrleistungen vor allem ein herausragendes Preis-Leistungs-Verhältnis bietet. Der Kofferraum ist ausreichend groß, die Reichweite ebenfalls, nachgeladen wird flott, und für den Winter ist man dank Blade Batterie gut gerüstet. Bleibt eigentlich nur eine Frage: Warum machen das nicht alle so?
BYD Seal Excellence AWD (2024): Technische Daten, Österreich-Preis, Leistung, Gewicht, Verbrauch, Reichweite
Testwagenpreis: € 51.380 brutto exkl. Förderungen (Basispreis BYD Seal Design RWD: € 48.380)
Bestellbar: Ab sofort (mehr Infos)
Maximale Leistung: 390 kW / 530 PS
Drehmoment: 670 Nm
0-100 km/h: 3,8 sek.
Vmax: 180 km/h
Verbrauch (WLTP): 18,2 kWh/100 km
Batteriekapazität: 82,5 kWh
Reichweite (WLTP): 530 km
Ladezeiten: 11 kW AC (0-100%: ca. 8h00) | 150 kW DC (10-80%: 37 min.)
CO2-Emission: 0 Gramm/km
NoVA: 0 %
Leergewicht: 2.185 kg
Kofferraum: 402 Liter + 53 Liter Frunk
Abmessungen Länge/Breite o.S./Höhe: 4.800/1.875/1.460 mm
Nutzlast: k.A.
Anhängelast gebremst/ungebremst: 1.500 kg/k.A.
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