Dacia Jogger Hybrid 140 Extreme 2024 Test: Die Preis-Wert-Eskalation
Dass man für unter 20.000 Euro einen Neuwagen bekommt, der keine Kompromisse auferlegt, sondern Möglichkeiten eröffnet, ist heutzutage eigentlich Sensation genug. Der 4,5 Meter lange Dacia Jogger macht aber noch viel mehr Dinge gut.
Text: Patrick Aulehla | Fotos: Oliver Hirtenfelder
Der Einstand war für den Dacia Jogger alles andere als leicht. Er folgte in unserem Testfuhrpark nämlich auf ein Stuttgarter Fabrikat, auf ein riesiges SUV mit deutlich sechsstelligem Preis. Haben dicke Bleche die Umwelt gerade noch auf Distanz gehalten, die Markenlogos den Anspruch auf die linke Fahrspur markiert, ist man nach einmal Umsteigen wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen, wo nicht sinniert wird, ob ein 19.000 Euro teures Leichtbau-Sportpaket für ein 2,5 Tonnen-SUV den Nagel wirklich auf den Kopf treffen würde, sondern die lebensnahe Frage ansteht: Wie viel Neuwagen bekomme ich für mein Geld?
Nicht nur darüber wird man sich im Dacia-Schauraum klar. Das wäre auch viel zu langweilig, weil Auto bekommt man bei der Renault-Tochter ausgesprochen viel. Im Falle des Jogger sind es etwas über 4,5 Meter Länge, etwas über 1.800 Liter Kofferraumvolumen, fünf oder sieben Sitze, 110 Turbobenziner- oder 140 Hybrid-PS, und Serienausstattungen, die je nach Version von Einparkhilfe hinten und Multifunktionslenkrad bis hin zur kabellosen Smartphone-Anbindung und Keyless Go reichen. Preislich geht's bei 18.450 Euro für die Essential-Variante los, Schluss ist beim Extreme+ Siebensitzer für 23.390 Euro. Der Hybridantrieb kostet nochmals 5.000 Euro extra - eine Kann-, aber sicher keine Muss-Option.
Vollgepackt: In der Extreme Version bleiben kaum noch Wünsche offen.
Die Definition des Wesentlichen
Ebenfalls klar wird man sich im Dacia-Schauraum darüber, wie viel Wert man seinem sozialen Standing zumisst. Wer nämlich nur Möglichkeiten mit barer Münze aufwiegt, der wird auf der Suche nach Kontra-Argumenten beim Jogger nicht fündig. Im Grunde ist er die perfekte Interpretation des Kombi-Gedankens, in die man neben sparsame Motoren und moderne Ausstattung sogar ein Sleep-Pack noch hineinbauen könnte, wenn man statt transportieren im Kofferraum auch mal übernachten möchte. Das Notwendige erledigt Dacia mit Bravour, alles weitere ist als Ausgabe fürs Ego zu bilanzieren.
Insofern ist es gut, dass Dacia Überfluss mittlerweile weniger militant definiert. War ein Logan aus 2004 noch eine Verzichtserklärung, sind die neuen Modelle zum coolen Statement geworden. Der Jogger ist da keine Ausnahme: Smartphone-Connectivity, Sitzheizung, Navi, Rückfahrkamera, Hybridantrieb und Automatikgetriebe - all das zählt Dacia heute zur Essenz des Fahrens. Was man nicht verbaut, wird obendrein sympathisch argumentiert. Leder ist schön, aber wir wollen halt keine Kühe abkrageln. So in etwa.
Freiheit zum Anfassen: Das Sleep Pack kostet 1.590 Euro Aufpreis (zzgl. NoVA). Dafür gibt es eine 190 x 130 cm große Matratze, eine Aufbewahrungsbox mit 220 Liter Stauraum, einen Jausen-Klapptisch, Jalousien für alle Fenster und ein Drei-Personen-Zelt, das sich an der Heckklappe des Jogger montieren lässt.
Auch abseits des Preises ein tolles Paket
Dass der Jogger zu einem gewissen Punkt nachlassen muss, ist angesichts des Preises klar. Da sind wir vom Grundnutzen aber schon kilometerweit weg - hier geht es dann um Dinge wie tollen Geräuschkomfort, tolle Motorleistung und tolle Ausstrahlung. Die Lenkung des Jogger ist nicht außerordentlich direkt, das Fahrwerk federt nicht außerordentlich fein, bei Autobahntempo ist es nicht außerordentlich ruhig, aber ordentlich funktioniert das allemal. Dass an vielen Stellen schnödes Plastik schimmert - an den Türtafeln oder im Kofferraum zum Beispiel - ist ein verschmerzbares Übel und auch in teureren Fabrikaten nicht automatisch besser gelöst.
Solide verarbeitet und einfach zu bedienen. Dass dort und da hartes Plastik durchschimmert, schmälert den insgesamt hohen Qualitätseindruck nicht.
Das Multimediasystem ist in Sachen Auflösung und Darstellung nicht der allerletzte Schrei, aber immerhin logisch und insgesamt einfach zu bedienen. Die Menüpunkte sind in große Kacheln unterteilt und sogar auf dem Feldweg zu treffen, die Struktur ist nachvollziehbar und in schlüssige Ebenen unterteilt. Außerdem werden wichtige Funktionen direkt über Tasten und Schalter bedient - die Klimaanlage, die Sitzheizung oder die Multimedia-Lautstärke, zum Beispiel. Und wie immer, wenn sich (kabelloses) Android Auto und Apple CarPlay an Bord befinden: Das fest verbaute System wird jenseits von Grundeinstellungen sowieso nicht genutzt.
Android Auto und Apple CarPlay funktionieren kabellos. Was will das Digital Native Herz mehr?
Deutlich unterdurchschnittlich nur in einer Sache
Stark nachgelassen hat unser Jogger nur in einem einzigen Punkt: beim Verbrauch. Unser Testwagen mit dem "HYBRID 140" genannten Vollhybrid-Antrieb blieb mit rund fünf Liter im Schnitt sehr bescheiden. Für unseren Arbeitsweg, der hauptsächlich über Landstraßen und durch das Stadtgebiet führt, schrieb der Jogger sogar nur 3,8 Liter an. Auf der Autobahn wächst sich das natürlich nach oben hin aus, über sechs Liter sind wir aber nie gekommen. Mit einer Systemleistung von 140 PS ist der Jogger obendrein relativ kräftig, die Automatik ein Komfortgewinn. Dass der HYBRID 140 Antrieb die 5.000 Euro Aufpreis gegenüber dem ebenfalls sparsamen TCe 110 Turbobenziner mit Schaltgetriebe auch wirtschaftlich hineinfahren kann, wagen wir allerdings zu bezweifeln.
Nach einigen Stadt- und gut 250 Autobahn-Kilometern stehen 5,3 Liter am Tacho. Im Pendlerverkehr haben wir es auf unter 4 Liter geschafft. Top-Werte, die allerdings in der Anschaffung kosten: Der HYBRID 140 Antrieb muss einem 5.000 Euro Aufpreis wert sein.
Spricht also gar nichts gegen den Dacia Jogger? Zumindest aus rationaler Sicht gibt es wenig zu kritisieren. Der Preis, die Ausstattung, das Raumangebot - hier leistet sich der Jogger keine Schwächen. Auch das Fahren gelingt ihm grundsätzlich gut, wenngleich auf der Autobahn mit etwas deutlicheren Fahrgeräuschen zu rechnen ist. Weniger gut hat der Dacia Jogger beim NCAP-Crashtest abgeschnitten. Einer von fünf Sternen ist sicherlich kein Prestige-Resultat, aber letztendlich durch folgende Tatsache zu erklären: Die NCAP-Wertung basiert mittlerweile zu einem großen Teil auf der Verfügbarkeit von Assistenzsystemen, und hier sind günstigere Autos traditionell unterdurchschnittlich bestückt. Beim Crashtest allein erzielte der Jogger immerhin vier von fünf Sternen. Das Notwendige macht Dacia also auch in dieser Hinsicht gut.
Dacia Jogger Hybrid 140 Extreme (2024): Technische Daten, Österreich-Preis, Leistung, Gewicht, Verbrauch, Reichweite
Testwagenpreis: € 27.779,50 brutto (Basispreis Dacia Jogger TCe 110 Essential: € 18.490,00) | Sleep Pack: € 1.590 Euro zzgl. NoVA
Bestellbar: Ab sofort. (Konfigurator)
Maximale Leistung: 104 kW / 141 PS
Drehmoment: 148 Nm Verbrenner + 205 Nm Elektromotor
0-100 km/h: 9,8 sek.
Vmax: 167 km/h
Verbrauch (WLTP): 4,7 - 5,1 Liter/100 km
CO2-Emission: 106 - 115 Gramm/km
NoVA: 2 %
Leergewicht: 1.374 kg
Kofferraum: 607 - 1.819 Liter
Länge/Breite o.S./Höhe: 4.547/1.848/1.691 mm
Nutzlast: 451 kg
Anhängelast gebremst: 750 kg (TCe 110: 1.200 kg)
Anhängelast ungebremst: 715 kg (TCe 110: 624 kg)
Comments