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Nissan Ariya: Grau in Grau, wohin i schau


Den Nissan Ariya wie im Prospekt ein Kompakt-SUV zu nennen, scheint uns in Summe dann doch zu banal. Weil er erstens nicht so aussieht, und zweitens keines ist.



Text: Patrick Aulehla | Fotos: Oliver Hirtenfelder

 

Als ich meinen Nissan Ariya im Speckgürtel durch die Kellergassen rolle, ist die Verwirrung den Passanten anzusehen. Man hat man sich doch längstens schon auf ein Muster verständigt, das heißt Sportwagen, Limousine oder großes SUV; deutsches, amerikanisches oder englisches Fabrikat; schwarze, graue oder weiße Farbe. Was wollen’S da jetzt ausscheren, mit Ihrem neumodischen Gerät?


Auftreten, ohne draufzutreten

Den Nissan Ariya fahre ich jetzt schon drei Tage lang, und noch immer glaube ich, wir haben einen Dresscode überlesen. Dieses Auto sticht heraus, es wird gemustert, es wird inspiziert – die großen, glatten Flächen, die scharf gezeichneten Scheinwerfer, die Linienführung und die Form. Zwischen Coupé und SUV geht sich alles irgendwie aus, aber auch nichts so richtig – wie erfrischend, wenn Designer gegen Kostenrechner gewinnen. Und weil man ohnehin schon querfeldein durch den Konventionen-Garten fährt, warum nicht zum Beispiel auf einen Kühlergrill verzichten, um die Front zu einem stromlinienförmigen Statement zu machen, das sagt: Ja, ich bin’s wirklich, aber ich komme in Frieden. Die Akatsuki Copper Lackierung hätte es gar nicht mehr gebraucht, um die Eintönigkeit des Parkplatzes herauszustreichen, aber umso besser: Jetzt sind wir hier, und wir sind gekommen, um zu zeigen.





Was uns der Nissan Ariya zeigt, ist, dass man mit Mut auch gewinnen kann. Dieses Auto sieht nicht nur außergewöhnlich, sondern außergewöhnlich gut aus, wie wir finden, und entgegen den Erwartungen verbunden mit einer schnittigen Karosserie: Im Innenraum ist richtig viel Platz geblieben. Die Mittelkonsole lässt elektrisch aus der Beinfreiheit schieben – dann ist der Blick frei auf den aufgeräumten Armaturenträger, der sich mit integrierten Tasten und blauem Wildleder um einen hochwertigen Eindruck bemüht. Und das schafft: Der Ariya ist hinreißend sauber und stilvoll verarbeitet, was man bei einem Basispreis von 57.000 Euro zwar erwarten würde, der Realität aber leider nicht mehr entspricht. Für dieses Geld gibt’s zuweilen auch noch Plastikwüste.



Nissan Ariya Innenraum Bild

Ordentliche Menüführung, feine Verarbeitung. Der Innenraum des Ariya hat Lounge-Charakter.


Machen wir uns aus dem Orbit

Dass der Ariya elektrisch fährt, ergibt nicht nur Sinn, es ist geradezu unentbehrlich. Wir wollen schließlich keinen Ölofen vorglühen, um mit dem Starship in das nächste Universum zu fliegen. Man fährt nicht, man gleitet los mit 87 Kilowattstunden Strom im Speicher, und wenn man Universum zum Beispiel mit Kärnten übersetzt, kann man sich von Wien aus auch locker dorthin beamen, ohne unterwegs an der Raumstation zu tanken.


533 Kilometer schafft der Ariya nach WLTP, und davon bleiben auch im echten Leben noch viele übrig, wie unsere Erfahrung verspricht. Bei 110 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit – also teils auch deutlich schneller, und ausschließlich von Ladestation zu Ladestation auf der Autobahn unterwegs – haben wir rund 350 Kilometer gesammelt. Wer den Ariya hauptsächlich für Ortsgebiete und Landstraßen verwendet, der wird mit Bedacht die 500 Kilometer-Marke knacken.



Nissan Ariya Innenraum Bild

Der Nissan Ariya fährt in erster Linie komfortabel. Das Fahrwerk ist sanft, die Geräuschkulisse leise - zumindest, solange man das Bose Soundsystem nicht weckt.


Fährt man weite Strecken, wofür sich dieses Auto durchaus eignet, versprechen 130 kW Ladeleistung relativ zügiges Laden: 40 Minuten braucht der Ariya, um am CCS-Charger von 20 auf 80 Prozent zu tanken. Das ist in Zeiten von 350 kW Ladepunkten keine Top-Leistung mehr, aber zumindest Durchschnitt in dieser Preisklasse. Zuhause zieht er bis zu 22 kW aus der Wechselstrom-Dose – wer sich eine derart potente Leitung in die Garage legen kann, macht seinen Ariya in knapp fünf Stunden voll. Mit den üblichen 11 kW dauert es - Überraschung - etwa doppelt so lange.


Nicht voll würden wir dagegen die Motorleistung machen. Die 178 kW in unserem Testwagen haben völlig ausgereicht. Statt in die 225 kW Allrad-Variante kann man zum Beispiel in Farbe, Felgen und Wallbox investieren. Rennen will der Ariya sowieso keines gewinnen. In der Design-Wertung hat man deutlich bessere Karten.


 

Nissan Ariya Evolve Pack


Testwagenpreis: € 74.500 brutto (Basispreis: € 57.000)

Bestellbar: Ab sofort. (Preisliste)

Maximale Leistung: 178 kW/242 PS

0-100 km/h: 7,6 sek.

Vmax: 160 km/h


Leergewicht: 2.093 kg

Kofferraum: 415-1.280 Liter (468-1.350 Liter mit 63-kWh-Batterie)

Länge/Breite o.S./Höhe: 4.595/1.850/1.660 mm

Verbrauch (WLTP): 17,6-19,5 kWh/100 km

Reichweite (WLTP): 403-533 km

Ladung: 22 kW AC (0-100%: 4h55) | 130 kW DC (20-80%: 40 min)


Ganz schnell: Nissan hat mit dem Ariya ein Elektro-SUV gebaut, das sich sehen lassen kann. Nicht nur optisch seiner außergewöhnlichen Linienführung wegen, sondern auch inhaltlich. Mit 63- oder 87-kWh-Batterien sind WLTP-Reichweiten zwischen 403 und 533 Kilometer drinnen, am Ladestecker gießt man mit 130 kW nach. Verarbeitung und Materialauswahl empfinden wir als sehr gut, die blaue Innenausstattung als Augenweide - wenn man sich traut. Preislich geht es bei nicht günstigen, aber vertretbaren 57.000 Euro los. Unser Testwagen ist mit 74.500 Euro jedenfalls kein Schnäppchen gewesen.


 


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