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Aktualisiert: 20. Okt.

Polestar 4 im Test: Gewissen mit Biss


Wuchtiger Auftritt außen, skandinavischer Minimalismus innen, ein Öko im Herzen: Der Polestar 4 will ein Fahrzeug mit Premiumanspruch sein, dafür möglichst wenig Ressourcen nutzen und durch funktionales Design ein wenig Apple-Flair suggerieren. Keine leichte Aufgabe, denn auf dem Datenblatt stehen 4,84 Meter Länge, 2,01 Meter Breite, 544 PS und 100 kWh Batteriekapazität. Wir versuchen, zu vermitteln.



Text: Patrick Aulehla | Fotos: Polestar


Polestar ist seit der Einführung des ersten Modells, dem Polestar 2, bemüht, Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung für die Herstellung der Produkte, um genau zu sein - die schwedisch-chinesische Marke misst den CO2-Ausstoß bei der Herstellung ihrer Fahrzeuge, achtet bei der Batteriefertigung auf saubere Lieferketten und arbeitet an einem mehrphasigen Batterielebenszyklus, der die Stromspeicher möglichst lange am Leben halten soll. Das Kredo: "Ambition ohne Handlung ist nur heiße Luft, und das ist das Letzte, was unser Planet braucht." Das ist gut, wichtig und richtig.


Wer sich den Polestar 4 im realen Leben zu Gemüte führt, wird dieses Kredo möglicherweise in Gefahr wähnen, denn dieses Fahrzeug erstreckt sich auf 4,84 Meter Länge, 2,01 Meter Breite (ohne Spiegel), leistet 544 PS (in der Performance-Version) und speichert bis zu 100 kWh Strom in der Batterie. Dass dafür einige Ressourcen verarbeitet werden, liegt auf der Hand - aber ist das deshalb Ambition ohne Handlung?


Nachhaltigkeit als Versprechen

Nein. Denn: Obwohl der Polestar 4 eine gewaltige Erscheinung ist, wird bei dessen Produktion der niedrigste CO₂-Fußabdruck aller Polestar-Modelle gemessen. Konkret sind es 19,4 Tonnen CO₂e bei der Standard Range Single Motor Variante, 19,9 Tonnen CO₂e bei der Long Range Single Motor Variante, und 21,4 Tonnen CO₂e bei der Long Range Dual Motor Variante. Obwohl es schwer ist, diese Werte in ein Verhältnis zu setzen, lässt sich doch sagen: Die Bemühungen der Marke scheinen zu fruchten. Für die Herstellung des Polestar 2, dem ersten Modell der Marke, wird mehr CO₂ verbraucht (22 bis 23,1 Tonnen CO₂e), obwohl das Fahrzeug in Sachen Abmessungen und Batteriegröße deutlich kleiner ist.


Wer einen Polestar 4 kauft, kauft Transparenz - und damit eine Argumentationsgrundlage, denn Tatsache ist: Kein Auto ist ressourcenschonend per se, auch ein Laptop, Smartphone oder ein E-Bike nicht, diese Geräte wachsen schließlich nicht auf Bäumen. Immerhin tritt man mit dem Polestar 4 dafür ein, etwas besser zu machen - in dem Bewusstsein, dass man sich nur zu Fuß wirklich umweltschonend fortbewegt.



Polestar 4 Performance Paket in Bewegung auf Landstraße, umgeben von dichter Waldkulisse
Kaum zu übersehen: 4,84 Meter Länge, 2,01 Meter Breite ohne Außenspiegel, 2,4 Tonnen Leergewicht und 544 PS Maximalleistung - so lauten die Eckdaten des Polestar 4.

So oder so: Als Auto ist der Polestar 4 ein Statement. In Sachen Größe, in Sachen Design, in Sachen Anmutung. Die breite Front mit den auffälligen Scheinwerfern sticht sofort ins Auge, das abfallende Heck ohne Heckscheibe ebenfalls, und wer das Performance-Paket mit goldenen Bremssätteln und 22-Zoll Felgen ordert, hat der Bescheidenheit im Grunde abgeschworen. Dass der Polestar 4 dennoch geschmackvoll auftritt, ist ein Kunststück, das man nicht von jedem Hersteller erwarten darf.


Fahrverhalten

Apropos Kunststücke: Mit 400 kW/544 PS und 686 Newtonmeter Drehmoment kratzt der Polestar 4 Performance Brocken aus dem Asphalt - in 3,8 Sekunden fährt man 100 km/h schnell, abgeregelt wird bei 200 km/h. Lenkung und Sportfahrwerk geben sich in Kurven alle Mühe, die 2,4 Tonnen Leergewicht zu verheimlichen, was im Grunde sehr gut funktioniert. Die Vorderachse bleibt lange stabil und spurtreu, der Allradantrieb und die Regelelektronik dosieren die Kraft an allen vier Rädern, Schlupf oder Instabilität muss man mit der Brechstange provozieren. Was sich nicht verstecken lässt, ist die Breite: Zwei Meter ohne Außenspiegel sind eine Ansage - das weiß man spätestens dann einzuschätzen, wenn man in engem Geläuf einen entgegenkommenden LKW umfahren muss.



Rückansicht des Polestar 4 Long Range Dual Motor auf kurviger Bergstraße mit durchgehendem LED-Leuchtenband
Keine Heckscheibe, kein Problem: Durch den digitalen Innenspiegel hat man die Nachkommenden stets im Blick. Wobei man dem Polestar 4 erst einmal nachkommen muss.

Infotainment und Bedienung

Im Regelfall werden aber keine Rennen gefahren, deshalb Fokus auf das Wesentlichste abseits des Fahrens: Das Multimediaerlebnis. Hier geht Polestar einen Weg, den man von Tesla oder Volvo kennt: Keine Tasten und Schalter, stattdessen ein zentraler Touchscreen mit allen Funktionen. Das bedeutet, dass man für Einstellungen wie Sitzposition, Spiegelneigung oder das Öffnen des Handschuhfachs an den Bildschirm muss, und das mag nicht jeder.


Objektiv lässt sich sagen: Durch sinnvolle Shortcuts (z.B. zu den Assistenzsystemen, zur Spiegelverstellung oder dem Handschuhfach) und eine permanent eingeblendete Klima-Leiste am unteren Bildschirmrand sind die täglich gefragten Funktionen genauso schnell zu bedienen wie über herkömmliche Tasten. Und: Wer Sitzposition und Spiegel einmal konfiguriert, kann diese Einstellungen abspeichern und jederzeit wieder abrufen.


Abseits davon überzeugt uns der Polestar 4 mit erstklassiger Vernetzung (Google Integration, Google Maps Navigation, Spotify, Amazon Music etc.), ordentlicher Verarbeitungsqualität und schickem Design. Einzig die zentrale Lüftungsdüse neigt bei Kälte zu anfänglichem Knistern - das therapiert man dem Vierer hoffentlich noch aus. Ehrensache: Die verwendeten Stoffe und Materialien bestehen zum Großteil aus Rezyklaten, das optionale Nappaleder stammt aus der tierschonenden Produktion von Bridge of Weir.




Harmonisch, modern, stylisch: Der Innenraum des Polestar 4 überzeugt mit skandinavischer Schlichtheit. Das Bedienkonzept mag nicht jedem gefallen - dessen Funktion ist aber tadellos.



Preise und Ausstattung

Bleibt noch die Frage nach dem Preis, und ja, das ist irgendwie klar: Der Premium-Polestar kostet Premium-Geld. Ab 59.990 Euro geht's in Österreich los - dafür bekommt man die Long Range Single Motor Variante (200 kW/272 PS), die im Grunde für alle Mobilitätsbedürfnisse reicht. Long Range bedeutet übrigens 620 Kilometer WLTP-Reichweite und 200 kW Ladeleistung am Schnelllader - von 10 auf 80 Prozent wird in 30 Minuten geladen. Insofern ist der Einstiegspreis zwar nicht günstig, aber sicherlich fair angesetzt.


Die Long Range Dual Motor Variante mit Allradantrieb (400 kW/544 PS) schlägt mit 68.990 Euro zu Buche. Vorwärtsorientierte Charaktere können zudem das Performance-Paket ordern, sofern man für 22-Zoll Felgen, eine härtere Fahrwerksabstimmung, Brembo-Bremsen und Akzente in Schwedengold bereit ist, 4.500 Euro auszugeben. Auch das ist viel Geld. Gemessen an dem Gebotenen aber ein durchaus guter Deal.



Was wir gut finden: Eigenständiges, sportliches Design, tolles, erwachsenes Fahrverhalten, gute Verarbeitung, schöne Innenraumgestaltung


Was wir nicht so gut finden: Hoher Preis, kaum Ablagen im Innenraum, relativ hoher Stromverbrauch auf der Autobahn

 

Man kauft ihn, weil: man ein stylishes, charakterstarkes Auto für den täglichen Weg durch den Stadtdschungel braucht.


Vergleichbare Fahrzeuge: Renault 5 E-Tech Electric, Abarth 500e



Polestar 4 Long Range Dual Motor Performance (2025): Technische Daten, Österreich-Preis, Leistung, Gewicht, Verbrauch, Reichweite


Testwagenpreis Polestar 4 Long Range Dual Motor Performance: € 83.290,00

Einstiegspreis Polestar 4 Long Range Single Motor: € 59.990,00

Bestellbar: ab sofort (Konfigurator)

Maximale Leistung: 400 kW/544 PS

Drehmoment: 686 Nm

0-100 km/h: 3,8 Sekunden

Vmax: 180 km/h

Batteriekapazität: 100 kWh brutto/94 kWh netto

Energieverbrauch konfigurationsspezifisch (WLTP): 21,7 kWh/100 km

Reichweite (WLTP): 590 km

Reichweite im Test: 400 - 500 km

Ladung: 11 kW AC | 200 kW DC (10-80%: 30 min)


Leergewicht: 2.350 kg

Zulässiges Gesamtgewicht: k.A.

Anhängelast gebremst/ungebremst: 2.000 kg/750 kg

Kofferraum: 526 - 1.536 Liter

Länge/Breite o.S./Höhe: 4.840/2.001/1.534 mm

Stützlast: 100 kg

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