top of page

Porsche 911 Carrera im Test: Wie viel Neunelfer braucht der Mensch?


Muss es wirklich der 650 PS starke Porsche 911 Turbo S sein? Oder ist ein Basis-Carrera vielleicht sogar das bessere Auto? Mit 394 PS und 450 Nm keinesfalls untermotorisiert, mit 294 km/h Höchstgeschwindigkeit sogar ziemlich schnell, und mit 1.520 Kilogramm Leergewicht kein Schrank auf der Waage. Reicht das für das Sportwagen-Glück?



Text: Patrick Aulehla | Fotos: Oliver Hirtenfelder



Eine Neunelfer-Variante als Basismodell zu bezeichnen, wirkt irgendwie falsch, denn die Einstiegshürde liegt mit 176.000 Euro dann doch nicht zum Greifen nahe, dafür kann man auch 13,87 Dacia Sandero kaufen, ebenfalls in der Basisvariante. In diesem Sinne: Verstehen Sie das Wort "Basis" bitte nicht falsch - der Porsche 911 Carrera ist kein mit Plastik ausgekleidetes Notfall-Vehikel, sondern ein waschechter, gut ausgestatteter Sportwagen - ich würde sogar so weit gehen und behaupten: eine der sinnvollsten 911er Varianten, wenn man sich primär auf öffentlichen Straßen bewegt.



Porsche 911 Carrera Heckantrieb 2025 auf einer Landstraße - Heckleuchte Leuchtband 911 Carrera Schriftzug
Hinter dem Schriftzug 911 Carrera versteckt sich ein 3,0 Liter Turbo-Boxer mit 394 PS Leistung und 450 Nm Drehmoment. Völlig ausreichend, wie wir finden.

Weniger ist fahrbarer

Falls der Verdacht Sie kitzelt, ich würde Status-Abwertung betreiben: Mitnichten. Der Porsche 911 Carrera ist 394 PS und 450 Nm stark, 294 km/h schnell und 1.520 Kilogramm leicht, was ihn noch einigermaßen ausdrehbar macht, im Gegensatz zu einem 911 Turbo S zum Beispiel. Das bedeutet: Man kann die Gänge genießen, sich an der Leistungsentfaltung erfreuen, die im Carrera eher an einen Hochdrehzahl-Sauger als an ein Ladedruck-Monster erinnert. In niedrigen Drehzahlbereichen schüttet der 3,0 Liter Turbo-Boxer das Drehmoment nicht mit der Gießkanne ins Getriebe, er kommt sanft, legt obenrum nochmal kräftig zu, erst bei 7.500 Touren setzt der Begrenzer der Leistungskurve ein Ende. Flott fahren macht Freude, keine Angst - etwas, das eine Alpine A110 ähnlich gut kann.



Porsche 911 Carrera Heckantrieb 2025 auf einer Landstraße - Ansicht seitlich
Geht sauschnell um's Eck, auch ohne GT3- oder Turbo-Emblem.

Optionsdetoxing

Dass unser Testfahrzeug mit keinen für das Fahren relevanten Optionen ausgerüstet war, hat uns folgende Erkenntnis ermöglicht: Ein Porsche 911 ist auch dann gut, wenn man seinen Basispreis (da war's schon wieder) nicht per Aufpreisliste verdoppelt. Kein Sport Chrono Paket, kein Sportauspuff, kein aktives Fahrwerk, keine Ceramic Composite Brake - und wir haben nichts davon vermisst.


Der Standard-Carrera ist spaßig zu bewegen, sehr präzise beim Lenken und Bremsen, auch ohne Renntrompeten wahlweise ausreichend (Normal Modus) oder ordentlich laut (Sport Modus), und in seiner Schlichtheit ziemlich fesch, wenn man von sehr "bescheiden" wirkenden Felgen absieht. Tatsächlich ist das unserer Einschätzung nach die einzige Option, die man wählen MUSS, um sich nicht als gut betuchter Erbsenzähler zu outen, und vermutlich sieht Porsche das genauso, sonst hätten sie die Dinger ja nicht dran geschraubt. Die deutlich fescheren Carrera Classic Räder gibt's für 2.813 Euro - im Gegenzug spart man sich beim Öffnen des Garagentores die Nachkaufdissonanz.



Porsche 911 Carrera Heckantrieb 2025 auf einer Landstraße - Ansicht von vorne
Das Standard-Raddesign des 911 Carrera ist, sagen wir, schlicht. Deutlich hübschere Räder gibt's ab 2.813 Euro, oder für 1,6 Prozent des Fahrzeugwerts. Das sollten sie dem ernsthaft Interessierten wert sein.

Durst wie Dacia

Dass Sportwagenfahren nicht automatisch ein Umweltverbrechen ist, hat der 911 Carrera auf dem Weg von Wien nach Salzburg und retour bewiesen. Nach gut 600 Kilometern Strecke zeigte unser Testwagen einen Durchschnittsverbrauch von 8,1 Liter Super pro 100 Kilometer - inklusive Kickdown nach fast jedem, ok, zugegeben, nach jedem Baustellenende (es sind ziemlich viele Baustellen) und Marschgeschwindigkeit 130 plus Mehrwertsteuer. Wer sich besser zu benehmen weiß, wird eine Sieben vor dem Komma sehen, und das kann auch ein Dacia Sandero kaum besser. Ein Plug-in-Hybrid SUV mit leerer Batterie? Lassen wir das.



Porsche 911 Carrera Heckantrieb 2025 auf einer Landstraße beim Fahren - Ansicht Innen Blick auf Fahrer
Wer seinen Neunelfer nicht wie hier flott durch Kurven, sondern im Schongang auf der Autobahn bewegt, kommt mit unter acht Liter Super pro 100 Kilometer aus. Eat that, SUV!

Schlicht, technisch, gut

In Sachen Infotainment, Verarbeitungsqualität, Materialgüte und Technik gibt es bei einem Neunelfer grundsätzlich wenig zu kritisieren. Das Infotainmentsystem ist logisch zu bedienen, der Touchscreen hübsch in das Armaturenbrett integriert, wichtige Funktionen werden mit echten Tasten angewählt, danke. Plastik sucht man fast vergebens - wer gar keines sehen will, kann um einige Tausender erweiterte Lederpakete bestellen und sich auch sonst gut verwirklichen (personalisierte Einstiegsleisten, Schlüsseletuis, farbige Gurte et cetera). Eine breite Palette an Sonderfarben gibt es auch (genannt "Farbe nach Wahl"), sofern einem eine solche 13.292 Euro wert ist.




Schlichtes Design, einfache Bedienung, saubere Verarbeitung: Im Neunelfer-Innenraum gibt's keine Überraschungen, abgesehen von dem etwas schmucklos wirkenden Startknopf.



Die Voraussetzungen für das Neunelfer-Glück

Apropos wert sein: Wie besprochen kostet der Carrera in Grundausstattung 176.372,68 Euro, eine gewisse Sportwagen- und/oder Porsche-Affinität sollte man also mitbringen, wenn man Neunelfer fahren möchte. Unser Testwagen war zusätzlich zur Serienausstattung mit adaptiven Sportsitzen samt 18-Wege-Verstellung und Sitzbelüftung, abgedunkelten HD-Matrix LED-Scheinwerfern, dem Remote Park Assist, dem Bose Surround Soundsystem und einigen Kleinigkeiten (Komfortzugang, Privacy Verglasung etc.) ausgerüstet, was die Ablöse auf exakt 197.578,67 Euro schraubt. Ja, das tut weh, andererseits ist ein Neunelfer ein Neunelfer, der wohl kompletteste und alltagstauglichste Sportwagen überhaupt, und Spaß kostet Geld, das wissen wir ja.



Porsche 911 Carrera Heckantrieb 2025 auf einer Landstraße - Außenansicht von vorne
Das Neunelfer Revier: Kurvige Landstraßen, freie Sicht. Spätestens jetzt weiß man, warum der Neunelfer als einer der besten Sportwagen überhaupt gehandelt wird.

Nach oben gibt es im 911er Modellprogramm freilich keine Grenzen: Der Carrera S kostet gleich 200.000 Euro, ein GTS fast 230.000 Euro, und falls GT3 drauf stehen soll, sind zumindest 300.000 Scheine weg. Ein neuer Turbo steht ebenfalls in den Startlöchern - wir rechnen auch hier mit einer Drei vorne auf dem Preiszettel.


Wer gegenüber dem 911 Carrera auf 100 PS, zwei Zylinder, ein bisschen Platz, sämtliche Ablagen und die Adelung Porsche-Fahrer verzichten kann, möge sich eine Alpine A110 genauer ansehen. Die fährt ebenfalls hervorragend, ist ebenfalls hübsch anzusehen und kostet in der Basis über 100.000 Euro weniger. Ist aber auch weniger Auto insgesamt.



Was wir gut finden: Dass ein Basis-Neunelfer der wohl angenehmste Neunelfer ist, den man kaufen kann. Wir hätten trotzdem lieber einen GT3 Touring, das nur am Rande.

 

Was wir nicht so gut finden: Dass unser Testwagen auf der Autobahn ungewöhnlich laut und hart war. Möglicherweise waren die Reifen im Eimer - normalerweise sind Neunelfer da manierlich.

 

Man kauft ihn, weil: man den wohl vollkommensten Sportwagen der Welt besitzen möchte.

 

Alternativen: Alpine A110, Porsche Cayman, Aston Martin Vantage, BMW M4



Porsche 911 Carrera (2025): Technische Daten, Österreich-Preis, Leistung, Gewicht, Verbrauch, Reichweite

 

Testwagenpreis: € 197.578,67 brutto (Basispreis Porsche 911 Carrera: € 176.372,68)

Bestellbar: Ab sofort. (Konfigurator)

Motorleistung: 290 kW/394 PS

Drehmoment: 450 Nm

Zylinderanordnung: B6

Hubraum: 2.981 ccm

0-100 km/h: 4,1 sek.

Höchstgeschwindigkeit: 294 km/h

Verbrauch (WLTP): 10,1 Liter/100 km

Realverbrauch im Test: 8,1 - 11 Liter/100 km

CO2-Emission: 230 Gramm/km

 

Leergewicht: 1.520 kg

Höchstzulässiges Gesamtgewicht: 1.860 kg

Abmessungen Länge/Breite o.S./Höhe: 4.542/1.852/1.302 mm

Kofferraumvolumen (vorne): 135 Liter

Offenes Gepäckraumvolumen (hinter Vordersitzen): 373 Liter

Dachlast: 75 kg

Yorumlar


bottom of page