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Aktualisiert: vor 11 Stunden

Porsche 911 Turbo S 992.1 im Test: Prudenz statt Präpotenz


Bevor der Porsche 911 Turbo nächstes Jahr sein achtes Revival feiert, sitzen wir ein letztes Mal in der soeben ausgelaufenen siebten Generation. Ein Abschiedsständchen auf einen der komplettesten Sportwagen der Welt, der nach wenigen Kurven die Frage aufwirft: Was soll da noch kommen?



Text: Patrick Aulehla | Fotos: Oliver Hirtenfelder


Es gibt Sportwagen, die treiben dir als Autotester schon vor dem Einsteigen die Schweißperlen auf. An einem Lamborghini Aventador zum Beispiel ist alles arg - die Breite, die Höhe, das Design, der Name, und da hat man den V12 noch nicht einmal angerissen. Eine gewaltige Erscheinung, ein Statement auch beim Parken, Drama wie im Reality TV. Die Augen sind auf dich gerichtet, das muss man mögen auch.


Der Porsche 911 Turbo S ist nicht dramatisch. Er kommt für einen Sportwagen relativ sanft, will dich nicht mit Selbsterhöhung in seinen Bann ziehen. Man kann ihn in der Früh anwerfen, ohne den ganzen Ort aus den Federn zu reißen, er ist nicht zu breit und zu tief für Parkhäuser und Garagen - man ist lebensfähig ohne Einweispersonal. Das Fahren mit diesem Auto ist entspannt - hin und wieder vergisst man sogar, dass inklusive Sonderfarbe, Sonderleder und Sonderwünschen 382.000 Euro abgebucht wurden. In einem Lamborghini wird einem das vor jeder Bodenschwelle bewusst.



Porsche 911 Turbo S 992.1 2024 in dunkler Metallic-Lackierung, fotografiert von oben in moderner Hausauffahrt.
Unaufdringlich und für einen Supersportwagen einigermaßen galant. Ein Porsche 911 Turbo blendet nicht.

Man muss vor dem 911 Turbo S auch keine Angst haben, weil er im Teillastbetrieb derart gut fährt, dass man sich in der Blindverkostung am Steuer einer Limousine wähnen würde. Getriebe, Lenkung, Ansprechverhalten, Federhärte - all das lässt sich per Drive Mode Drehrad in die Unschärfe bewegen. Beim Dahinschlendern bleiben die 650 PS und 800 Newtonmeter im Heck verborgen, 50 km/h rollt man im siebten Gang, keine acht Liter fließen dabei in die Zylinder. In Sachen Alltagstauglichkeit ist der Porsche 911 Turbo S der wohl fähigste Supersportwagen der Welt, und allein das ist viel wert, wenn man sich regelmäßig unters Volk mischen möchte.


Es ist aber lange nicht alles. Das Drive Mode Drehrad kann neben "Normal" und "Wet" auch "Sport" und "Sport Plus", und so klein die Klicks in Richtung Zügellosigkeit auch sind: ihre Auswirkungen sind markerschütternd. Im Sport Plus Modus schnalzt das 8-Gang PDK-Getriebe augenblicklich auf Angriffsdrehzahl, die Porsche Active Aerodynamics senken das Fahrwerk gen Boden, die Spoiler fahren aus, und die 3,8 Liter blasen durch offene Auspuffklappen hinaus. Es raschelt im Gebüsch.




Aktive Aerodynamik: Eine ausgefahrene Spoilerlippe an der Front und ein ausgefahrener Flügel am Heck bedeuten: Sport Plus Modus. Und das wiederum: Keine natürlichen Feinde mehr.



Man muss vor dem 911 Turbo S keine Angst haben, aber Ehrfurcht allemal. In 2,7 Sekunden hat man aus dem Stand die Grenze Landstraßentempo durchschossen, in 8,9 Sekunden stehen 200 auf dem Tacho. Wer draufbleibt, sieht den ihn bis 330 weiterrasseln, erst dann zieht das elektronische Lasso am Heck. Ja, der Turbo ist elektronisch ABGEREGELT, irgendwann muss ja genug sein auch.


Insofern ist klar: In der Zivilisation lassen sich die Fähigkeiten dieses Autos nicht ausloten, dafür sind die Rahmenbedingungen zu eng. Hundert fährt man immer und überall, ganz gleich wie sehr die Straße sich biegt. Dieses Auto liegt wie ein Brett, lenkt ein wie auf Schienen, und lässt Korrekturen sogar im Grenzbereich noch zu. Es hämmert mit einer derartigen Gewalt aus der Ecke, dass du es dir anfangs nicht vorstellen kannst. Kurven zieht der Turbo S durch wie ein Fließband Pakete, da steht der Mund offen. Die Dramatik des Porsche 911 Turbo S ist nicht schreien und scheinen, sondern der Tanz am äußersten Rand der Physik.



Detailaufnahme Porsche 911 Turbo S 992.1 mit gelber Keramikbremse und schwarz-silberner Felge
Bremsleistung en masse: Die vorderen Rotoren der Ceramic Composite Brake messen 420 Millimeter oder 16,5 Zoll. Anders ausgedrückt: Sie sind größer als die Serienfelgen des ersten Turbo-Elfers.

Die Gesamtheit aus 1.715 Kilogramm Leergewicht, klugem Allradantrieb, 315er Reifen an der Hinterachse, aktiver Aerodynamik, variabler Servo samt Hinterachslenkung, 650 PS und 800 Newtonmetern, und einer unglaublich standfesten Ceramic Composite Brake mit 420 Millimeter Rotoren und 10-Kolben Sätteln an der Vorderachse machen diesen Elfer nicht nur unfassbar schnell, sondern auch unfassbar beherrschbar. Wer seine fahrerischen Grenzen einigermaßen einordnen kann und die Finger vom PSM-Knopf lässt (Porsche Stability Management, vulgo ESP), bekommt dieses Auto nur mutwillig von der Straße.


Für Wohlbefinden an Bord hat Porsche selbstverständlich auch gesorgt. Braunes Clubleder ziert die Sitze, das Armaturenbrett und so gut wie alle greifbaren Teile unseres Turbos, der Dachhimmel ist mit Wildleder bezogen, die Klänge tönen aus einem Burmester Soundsystem, das nicht nur phonetisch wertvoll ist, sondern den Innenraum mit Echtmetall-Lautsprecherabdeckungen zusätzlich aufwertet. Infotainment kann der Turbo genauso gut wie alle anderen Elfer, nämlich gut - die Menüführung ist logisch, nicht nur für Porsche-Kenner.



Innenraum des Porsche 911 Turbo S 992.1 mit braunem Leder, Sportlenkrad und modernem Cockpit.
Ein Traum in braun: Clubleder, Burmester Soundsystem, Aluminium-Applikationen und Alcantara wohin das Auge reicht.

Die große Frage, um die wir nach zwei Tagen mit diesem Fahrzeug nicht herumkommen, lautet: Was soll da noch nachkommen? Wo bleibt Optimierungsraum für einen neuen 911 Turbo, der ja bereits in der Startaufstellung steht? Sicher ist: Der Turbo der Generation 992.2 wird auf dem neuen GTS-Antriebsstrang basieren, also mit Hybridtechnik kommen. Hybrid heißt für Porsche aber nicht Kraftstoff sparen - schon auch, aber das ist sekundär. Primär geht es um schnelleres Ansprechverhalten, ein breiteres Drehmomentband und mehr Spitzenleistung. Und wie immer bei der nächsten Turbo-Generation: Darum, noch ein Stückchen näher an das Ende des physikalisch Möglichen zu rücken.

 


Was wir gut finden: Alles.

 

Was wir nicht so gut finden: Unser finanzielles Unvermögen.

 

Man kauft ihn, weil: man den komplettesten Supersportwagen der Welt besitzen möchte.

 

Alternativen:



Porsche 911 Turbo S 992.1 (2024): Technische Daten, Österreich-Preis, Leistung, Gewicht, Verbrauch, Reichweite

 

Testwagenpreis: € 382.000 brutto

Einstiegspreis: k.A.

Bestellbar: demnächst 992.2 Turbo

Motorleistung: 478 kW/650 PS bei 6.750 U/min

Drehmoment: 800 Nm bei 2.500 U/min

Motor: B6 VTG-Turbo

Hubraum: 3.745 ccm

0-100 km/h: 2,7 sek

0-200 km/h: 8,9 sek

Höchstgeschwindigkeit: 330 km/h

Verbrauch (WLTP): 12,0 Liter/100 km

Realverbrauch im Test: 9 - 16 Liter/100 km

CO2-Emission (WLTP): 271 Gramm/km

 

Leergewicht: 1.715 kg

Höchstzulässiges Gesamtgewicht: k.A.

Abmessungen Länge/Breite o.S./Höhe: 4.535/1.900/1.303 mm

Kofferraumvolumen (VDA): 128 Liter vorne

Anhängelast (gebremst/ungebremst): k.A.

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