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AutorenbildPatrick Aulehla

Freude am Zusammenleben


Es ist nicht die Interpretation von Elektromobilität, die wir von BMW erwartet hätten. Statt die Klassenbenchmark in Sachen Längs- und Querdynamik zu setzen, performt der BMW i4 eDrive40 besonders im Alltag formidabel.


BMW i4 eDrive40

Text: Patrick Aulehla | Fotos: Oliver Hirtenfelder
 

Wenn die Bayrischen Motoren Werke den ersten flachen Vertreter ihrer vollelektrischen Modellgeneration auf die Straße schicken, dann ist das schon ein historischer Moment. Nicht aber wegen Absatzzahlen, Zulassungen und KPIs. Vorrangig ist der BMW i4 für Größeres bestimmt. Er soll den Kern der Marke in ein neues Zeitalter transportieren und dort mit den Bedürfnissen der elektrisierten Zielgruppe vereinen. Und so auch eine entscheidende Zukunftsfrage klären: Wie viel BMW verträgt der elektrische Kunde?


Ingenieurskunst anno 2022

Dass der i4 einen großen, von links außen bis in die Mitte des Armaturenbretts reichenden Displayverbund tragen darf, lässt uns schon vermuten: Die Bayern sind bereit, ihr Wertegefüge zu verhandeln. In Sachen Innenraumlayout ist BMW nämlich traditionell sehr traditionell, nicht einmal der Siebener durfte bislang aus der Reihe tanzen. Diese Strategie nun aufzuweichen ist wohl der Erkenntnis geschuldet, dass sich das elektrisierte Fahrerlebnis verstärkt über das Zusammenleben definiert. Die Passagiere möchten es convenient haben, im Alltag lieber umsorgt als gefordert werden. Das heißt im Umkehrschluss: Will man Ingenieurskunst zukünftig als Abgrenzungsmerkmal nutzen, dann bemüht man Softwareentwickler und Designer, keine Motorenbauer mehr.



BMW i4 eDrive40


Statt Einzeldrosselklappen und Vanos hat der i4 etliche elektronische Features im Gepäck, mit denen wir vor einigen Jahren noch auf den Mond geflogen wären. Ganze 26 Optionen zählt die Aufpreisliste unseres Testwagens. Einen adaptiven Fahrassistenten zum Beispiel, der Kreisverkehre, Stoppschilder und ähnliche Gefahrenstellen selbstständig erkennt und ohne Zutun des Fahrers zu ihnen hinrekuperiert. Einen adaptiven Tempomaten, der Fahrspur, Geschwindigkeit und Abstand zum Vordermann regelt und im Stau das Bremsen und Anfahren übernimmt. Beim Einparken holen wir den Parkassistenten zur Hilfe, der rund um das Fahrzeug mit Kameras und Sensoren ausgerüstet ist. Und auf dem Head Up Display lesen wir alle Informationen ab, die für unser Fahrerlebnis heute wichtig scheinen. Von der Geschwindigkeit über unsere Songtitel bis zur vollumfänglichen Navikarte.




Bedienung, Haptik, Logik, Qualität: Hier ist BMW über jeden Zweifel erhaben.


Intuitiv ohne IT-Master

Das convenient sein hat der i4 ziemlich gut drauf, auch weil das BMW Operation System 8.0 zu den besten seiner Gattung zählt. Bedienlogik, Auflösung, Darstellung und Rechengeschwindigkeit sind über jeden Zweifel erhaben, und selbst, wer sich nicht stundenlang durch die Bedienungsanleitung lesen möchte, findet sich nach ein paar Aufwärmübungen schnell zurecht. Der zentrale Dreh-und-Drück-Controller ist eine bedienlogische Bereicherung - Grüße gehen raus an denjenigen, der dieses Teil trotz all der Touch-Euphorie nach wie vor in die Mittelkonsole reklamiert.


Überhaupt wüssten wir nicht, was uns der i4 vermissen ließe. Laserlicht, Head Up Display, Harman Kardon Sound, Ambientebeleuchtung, adaptives M Fahrwerk, variable Sportlenkung, und so weiter, und so fort - Wunsch bleibt hier keiner ungehört, solange man beim Äußern nicht in finanzielle Bedrängnis gerät. Doch, eine Feder müssen wir ihm rupfen: die Klimaanlagensteuerung ist nur per Touchscreen, nicht per Controller anwählbar. Wer die Freude am Fahren hauptsächlich über innere Werte definiert, der muss also kleinlich werden, um diesem Vierer etwas abzusprechen.



BMW i4 eDrive40 Display

Elektrofunktionen: Lademodus, Vorklimatisierung, Schonprogramm für die Batterie.


Elektrisches Licht

Ähnlich gut, wie er sich um seine Passagiere kümmert, nimmt der i4 auch seine Aufgabe als Elektroauto wahr. Seine Batteriekapazität ist mit rund 81 Kilowattstunden groß, sein Durchschnittsverbrauch mit einer Werksanagabe von 16,1 bis 19,1 Kilowattstunden gering für ein Fahrzeug seiner Größe. Bei normaler, nicht zurückhaltender, aber nicht überzogener Fahrweise auf Landstraßen, im Stadtgebiet und ein bisschen auf der Autobahn, konnten wir dem i4 rund 20 kWh Durchschnittsverbrauch und 400 Kilometer Reichweite entlocken. Für kühle Temperaturen ein ordentlicher Wert. Die 590 Kilometer Normangabe mögen hoch gepokert wirken, sie scheinen unter optimalen Bedingungen aber nicht völlig aus der Welt.


Allzu viele Gedanken würden wir daran auch nicht verschwenden: Bis zu 205 Kilowatt lassen sich aus dem DC-Stecker ziehen, entsprechend schnell ist neue Energie an Bord. BMW verspricht 100 Kilometer Fahrt in vier Minuten Ladezeit – flotter bekommen wir auch den Zapfhahn nicht aus der Säule. Und weil wir im Alltag ohnehin zuhause laden: Die paar Minuten, die wir am Weg ins Urlaubsdomizil einmal jährlich am Hypercharger hängen, lassen sich ja gut mit dem entfallenden Umstand des Tankens aufwiegen.



BMW i4 eDrive40 Heck


Elektrischer Schatten

Dass all der Komfort ausgerechnet die fahrdynamische Seite dieses Vierers kannibalisiert, schmälert seine Fähigkeiten als Alltagsbegleiter nicht. Im Gegenteil: Möchte man den Weg zwischen Anfangs- und Endpunkt möglichst mühelos überwinden, entspannter aus- als einsteigen, sitzt man im BMW i4 völlig richtig.


Eingefleischte Propelleristi werden das naturgemäß anders sehen. Als wohlerzogener BMW-Aficionado erwartet man Aktivität im Auto, ein sportliches Fahrverhalten an der langen Leine, und das schon ab der Basisversion. Das galt bisher auch als gesetzt - der Strombetrieb aber scheint die Karten neu zu mischen. Das ist jetzt keine Verbrenner-Nostalgie: Vielmehr ist es das Vermögen des Elektromotors, all seine Leistung umgehend auf den Tisch zu knallen, und das des Heckantriebs, den Unkundigen damit an die Wand zu fahren.


Um das Au-pair also nicht versehentlich im Gemüse zu parken, wenn es mit den Kids in letzter Sekunde zur Highschool abbiegt, ist strenge Sicherheitspolitik also unumgänglich. Durchgesetzt wird diese mit allen Mitteln, oder anders gesagt: Die Leistungsabgabe des i4 darf niemals soweit reichen, dass sie ein schlupffreies Maß übersteigt. Andernfalls läuten die Alarmglocken im Steuergerät und die 340 PS und 430 Newtonmeter bleiben in der Stabilitätskontrolle hängen. Zwar folgt auf den Volllastabruf ein kurzer Moment der elektrischen Brachialgewalt, dann aber übernimmt das DSC die Zügel, das uns den Strom so lange von den Rädern nimmt, bis es uns wieder in Sicherheit wiegt. Je nach Haftung, Lenkwinkel und Seitenführungskräften vergehen so einige oder einige mehrere Sekunden. Hätte man das früher ganz einfach per Sportmodus therapiert und den Vormund so in die Defensive gezwungen, verschärft er hier nur Lenkung, Fahrwerk und Elektromotorsound.




Dynamikplus in Blau: Der stärkere, allradangetriebene BMW i4 M50.


Verstehen Sie uns nicht falsch: Langsam ist der i4 eDrive40 mitnichten. An die Dynamik seiner Verbrenner-Geschwister traut er sich allerdings nicht heran. Es scheint, als hätte der Heckantrieb in diesen Kilowattsphären ausgestromt, wenn sogar BMWs so große Vorbehalte gegenüber ihrer Leistungsfähigkeit haben.


Die Käuferinnen und Käufer des BMW i4 eDrive40 werden das zu verschmerzen wissen. Wer ein ausdauerndes, sorgsames und unkompliziertes Hightech-Elektroauto höchster Güte sucht, und nebenbei auch bereit ist, dafür mindestens 57.900 Euro auszugeben, der wird ganz sicher glücklich werden. Wir waren es im Alltag auch. Wer im kurvigen Hinterland auf Tesla und Konsorten lauert, dem bleibt der Griff zur Variante M50. Weniger Reichweite, weniger Ruhe, dafür 544 PS und Allradantrieb für 12.000 Euro extra. Keine Option, wenn man die Freude am Fahren über das Zusammenleben definiert. Eingefleischte Propelleristi werden das naturgemäß anders sehen.


 

BMW i4 eDrive40


Preis: Ab € 61.650 (Basismodell eDrive35 ab € 52.000 brutto)

Bestellbar: Ab sofort. (Konfigurator)

Leistung: 250 kW/340 PS

0-100 km/h: 5,7 sek.

Vmax: 190 km/h


Leergewicht: 2.125 kg

Kofferraum: 470-1.290 l

Länge/Breite o.S./Höhe: 4.783/1.852/1.448 mm

Verbrauch (WLTP): 16,3/100 km

Reichweite (WLTP): 584 km

Ladung: 11 kW AC (0-100%: 8h) | 205 kW DC (10-80%: <30 min)


Ganz schnell: Der BMW i4 eDrive40 ist ein hervorragender Alltagsbegleiter, der nicht nur weit fährt und schnell lädt. Er spielt auch in Sachen Verarbeitungsqualität, Komfort und Bedienlogik bei den Besten mit. Im Geradeauslauf auf trockenem, griffigem Asphalt ist die Kombination Heckantrieb und 340 PS durchaus potent. In kurvigem Geläuf wünscht man sich einen Allradantrieb und die optionale M Performance Bremse.


 



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