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AutorenbildPatrick Aulehla

KIA EV9 GT-Line AWD 2024 Test: Der Rahmen des elektrisch Möglichen


Der KIA EV9 ist kein Musterschüler in Sachen Nachhaltigkeit - das ist schlicht unmöglich bei 2,7 Tonnen Leergewicht. Dafür kann er alles andere gut. Konkret gesagt: Kein anderes Elektroauto vereinigt derart viele Möglichkeiten in sich, wie der große Koreaner.



Text: Patrick Aulehla | Fotos: KIA

 

Klar. Ein KIA für 88.590 Euro ist ein Brett. Damit spielt man in der Liga von Audi Q8 e-tron, Mercedes EQE und BMW iX, wobei: Der KIA EV9 kommt um dieses Geld als Siebensitzer und voll ausgestattet (mehr dazu gleich), die deutschen Premiums rollen in der Basisausstattung vor. Vollausgestattet bedeutet im Falle des KIA EV9: 100 kWh Akku, 800 Volt Bordnetz, 210 kW Schnellladen (18 Minuten von 10 auf 80 Prozent), die erwähnten sieben Sitze, Leder, Panoramadach, Matrix-LED-Scheinwerfer, Head-up Display, Lenkradheizung, elektrische Lenkradverstellung, elektrisch umlegbare Sitze in der dritten Sitzreihe – um es abzukürzen: in der Preisliste finden sich 96 Optionen, die in der hier gezeigten GT-Line serienmäßig am Start stehen.



KIA EV9 AWD GT-Line 2024 Außenansicht seitlich

Sieben Sitze, über 2.300 Liter Kofferraumvolumen: Wer mehr Platz benötigt, muss auf eine Yacht umsatteln.


Abmessungen und Kofferraum: Hier setzt der EV9 Maßstäbe

Am Start steht der EV9 außerdem mit fünf Metern Länge, knapp zwei Metern Breite und knapp 1,8 Metern Höhe, die sich in unserer GT-Line Ausstattung auf rund 2,7 Tonnen Leergewicht summieren. Der Radstand beträgt 3,1 Meter – das sind nur 94 Millimeter weniger als beispielsweise ein Bentley Flying Spur seinen noblen Passagieren kredenzt, und während der Brite mit 420 Liter Kofferraumvolumen auskommen muss, schluckt der EV9 807 Liter hinter der zweiten, und gewaltige 2.318 Liter hinter der ersten Sitzreihe hinunter. Stellt man alle sieben Sesseln (per Knopfdruck) auf, bleiben noch immer 333 Liter übrig. In diesem Sinne rückt der EV9 ideologisch nahe an die aussterbenden Minivans heran, ohne deren biederes Design zu übernehmen. Im Gegenteil: Der EV9 setzt auf ein eindrucksvolles Äußeres, das von wuchtigen Flächen, scharfen Kanten und futuristischen Leuchtelementen dominiert wird. In den zwei Wochen unseres Tests wurde das durchwegs positiv kommentiert.



KIA EV9 AWD GT-Line 2024 Außenansicht Heck

Ecken, Kanten, große Flächen: Das "out of the box"-Design des EV9 fällt auf. Und das fast ausschließlich positiv.


Fahreigenschaften: Dynamisch statt klobig

Neben seiner Optik fällt der EV9 vor allem durch eine weitere Eigenschaft auf: Er fährt sich überraschend angenehm für ein derart wuchtiges Gebilde. Die Übersichtlichkeit ist gut, die Enden des Fahrzeugs lassen sich relativ genau einschätzen und beim Rangieren hilft die 360-Grad Kamera, die bereits in der Basisversion Earth serienmäßig mitfahren darf (mehr dazu weiter unten). Außerdem ist der EV9 mit etlichen Assistenzsystemen bestückt, die ihre Fahrer mit Diensten wie vor herannahenden Autos warnen bis hin zu Fahrspuren auf der Autobahn folgen unterstützen. Die Kehrseite: Lässt man alle Assistenten aktiviert, dann wähnt sich der EV9 häufig in gefährlichen Situationen, was er mit Warngeräuschen, Lenkradvibrationen, Notbremsungen (zum Beispiel beim Einparken in eine enge Parklücke) oder aktiven Lenkeingriffen quittiert. Für unseren Geschmack zu viel des Guten – immerhin lassen sich die überflüssigen Assistenten im Menü schnell deaktivieren.


Bedienung und Infotainment: Viele Möglichkeiten

Positiv fällt außerdem der Funktionsumfang und die Bedienlogik des Infotainmentsystems auf. In den beiden 12,3 Zoll Bildschirmen stecken unzählige Möglichkeiten, den EV9 an seine persönlichen Bedürfnisse anzupassen. Zum Beispiel lassen sich die Farben der Ambientebeleuchtung in zwei Ebenen anpassen, Lade- und Klimatisierungspläne erstellen oder verschiedene Fahrerprofile im Memory-Speicher hinterlegen. Praktisch ist außerdem, dass es für die Steuerung der Klimaanlage, für die automatische Parkbremse oder die 360-Grad Kamera normale Tasten gibt. Besonders die 360-Grad Kamera wird man im EV9 häufig nutzen.



KIA EV9 AWD GT-Line 2024 Innenraum Vordersitze

Ein angenehmes Detail: Die weich gepolsterten Kopfstützen sind eine Wohltat auf längeren Strecken. Die Massagefunktion für die vorderen Sitze übrigens auch.

 

Motor und Antrieb: Top-Version ist schnell, aber kein Muss

Wählt man wie wir das GT-Line Topmodell mit Allradantrieb, dann ist der EV9 sogar richtig flott: 385 PS und 700 Newtonmeter stehen auf dem Datenblatt, die von zwei Elektromotoren an alle vier Räder verteilt werden. Was das übersetzt in Fahrleistungen bedeutet, hat uns ob des hohen Leergewichts dann doch überrascht: In 5,3 Sekunden fahren die 2,7 Tonnen 100 km/h schnell, 200 km/h liegen in der Spitze an. Abgesehen vom Allradantrieb, der für ein SUV dieser Größe irgendwie dabei sein muss (Stichwort Skiurlaub), sind die fast 400 PS natürlich überflüssig. Greift man zum günstigeren Modell mit Heckantrieb, sinkt zwar die Leistung auf 204 PS und 350 Newtonmeter. Dafür fährt man aber 563 statt 505 WLTP-Kilometer weit. Und: Das Modell mit Heckantrieb ist naturgemäß günstiger. Für den Basis-EV9 in der Ausstattungsvariante Earth werden 76.590 Euro fällig, wobei auch hier gleich relativiert werden muss: Basis-Ausstattung heißt bei KIA nicht Bremsfallschirm und Fensterkurbeln, sondern bereits Head-Up Display, 360-Grad Kamera, Stauassistent und vieles, vieles mehr.



KIA EV9 AWD GT-Line 2024 Innenraum Fahrerperspektive

Solides Innenraum-Design, logische Bedienung, umfangreiche Serienausstattung: Der EV9 leistet sich bei der Bedienung kaum Schwächen.

 

Ladezeiten und Reichweite: Auch in der Praxis überzeugend

Andererseits: Ob der EV9 laut Preisliste 563 Kilometer oder 505 Kilometer weit fahren kann, ist im Grunde bedeutungslos. Nicht nur, weil man die WLTP-Reichweite grundsätzlich nicht erreicht (wir haben mit einer Ladung rund 450 Kilometer gesammelt) – vielmehr sind es das 800 Volt Bordnetz und das 210 kW starke Ladegerät, die Reichweitenängste verpuffen lassen.


Die Ladegeschwindigkeit wird vom EV9 an einer entsprechend fähigen Ladestation sehr lange sehr hoch gehalten, was zu beeindruckenden Ladezeiten führt. Wir haben 62 kWh in 19 Minuten nachgeladen (SOC am Ende des Ladens: 80 Prozent), teilweise sind sogar 215 kW durch die Kabeln geflossen. Anders gesagt: In 19 Minuten tankt man Strom für über 300 Kilometer Fahrt. Ebenfalls sehr stark: Der EV9 ist in der Lage, bidirektional zu laden, was bedeutet: Er kann mit seiner Antriebsbatterie andere Fahrzeuge oder Gegenstände wie einen Campingkocher, eine Mikrowelle oder eine PA-Anlage speisen, und – noch besser – bei Verwendung einer entsprechenden Ladestation sogar als 100 kWh großes Notstromaggregat für das Eigenheim dienen.

 

Zusammengefasst: Ein Rundum-Sorglos-Paket, das seinen Preis hat

Summiert man all die Eigenschaften des KIA EV9 auf - das große Platzangebot, die umfangreiche Ausstattung, das Angebot an Assistenzsystemen und die kurze Ladezeit an Schnellladestationen -, dann wird man feststellen: An diesem Auto gibt es wenig Raum für Kritik. Dass der Basispreis von 76.590 Euro nicht ohne ist, und die 88.590 Euro für unseren Testwagen noch weniger, stimmt natürlich. Aber das ist allen ähnlich großen, ähnlich starken und ähnlich schnell ladenden Elektroautos gleich. Im Gegensatz zu der umfangreichen Basisausstattung, die der EV9 schon ab Werk mitbringt.


 

KIA EV9 GT-Line AWD (2024): Technische Daten, Österreich-Preis, Leistung, Gewicht, Verbrauch, Reichweite


Testwagenpreis: € 88.590 brutto exkl. Förderungen (Basispreis KIA EV9 Earth RWD: € 76.590)

Bestellbar: Ab sofort (Konfigurator)

Maximale Leistung: 283 kW / 385 PS

Drehmoment: 700 Nm

0-100 km/h: 5,3 sek.

Vmax: 200 km/h

Verbrauch (WLTP): 22,3 - 22,8 kWh/100 km

Batteriekapazität: 99,8 kWh

Reichweite (WLTP): 505 - 512 km

Ladezeiten: 11 kW AC (0-100%: ca. 9h00) | 210 kW DC (10-80%: 18 min.)

CO2-Emission: 0 Gramm/km

NoVA: 0 %


Leergewicht: 2.550 - 2.648 kg

Kofferraum: 333 Liter (hinter 3. Reihe)/828 Liter (hinter 2. Reihe)/2.314 (hinter 1. Reihe) + 52 Liter Frunk

Abmessungen Länge/Breite o.S./Höhe: 5.010/1.980/1.780 mm

Nutzlast: 592 - 690 kg

Anhängelast gebremst/ungebremst: 2.500 kg/750 kg

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