Ford Mustang Mach-E GT: High Voltage Muscle Car
Aus dem hinteren Fenster winken artig die Kinder herüber, während 487 PS und 860 Newtonmeter alle vier Reifen faschieren. Der Muscle Car Traum darf weiterleben, auch wenn die Familienrealität einem das Original verwehrt.
Text: Patrick Aulehla | Fotos: Oliver Hirtenfelder
Ja, da habt ihr natürlich Recht. Mit einem Muscle Car hat der Ford Mustang Mach-E GT überhaupt nichts zu tun, zumindest nach klassischer Siebziger-V8-Tradition. Der Mustang Mach-E ist auch nicht hier, um den "echten" Mustang zu ersetzen. Das Verbrenner-Pony läuft nach wie vor vom Band und ist der weltweit meistverkaufte Sportwagen der vergangenen zehn Jahre. Der Mustang Mach-E dagegen ist ein Elektro-SUV, das sich in Sachen Design an seinem Namensvetter orientiert, aber eine gänzlich andere Zielgruppe anspricht.
Während der Verbrenner-Mustang meistens acht Zylinder unter der Haube trägt, überschaubar in Höhe und auch in Sachen Familientauglichkeit ist, holt der Elektro-Mustang all jene ab, die damit nichts (mehr) anfangen können. Damit meinen wir nicht, dass man Verbrenner grundsätzlich oder Muscle Cars nicht mag. Im Gegenteil: Man kann durchaus etwas übrig haben für den American Way of Life. Nur mengt sich die Realität oft den langjährigen Autoträumen bei, und das heißt dann fünf Sitze, wenig Verbrauch und Kofferraum, bitte. Statt Vollgas, Single Leben und Spritverbrauch egal.
Koffert mit Raum: 402 bis 1.420 Liter bringt ein echtes Muscle Car nicht unters Blech.
Dream on
Vielleicht hat sich Ford deshalb folgendes gedacht: Statt das Poster von der Wand zu reißen, falls die Komplexität des Lebens ihm entwächst, entwickelt man ein (mehr oder weniger) vernünftiges, zeitgenössisches Supplement, das argumentativ auch dann durchgeht, wenn vor dem Auto die Kinder mit der Spielzeuglade warten. 402 bis 1.420 Liter Kofferraum stehen für allerlei Krimskrams bereit, dazu gibt es fünf anständige Sitze, eine große Bildschirm-Kommandozentrale, einen fein verarbeiteten Innenraum mit hochwertigen Materialien, diverse Assistenz- und Komfortfeatures und eine 98,7-kWh-Batterie, die im GT-Modell für 490 WLTP-Kilometer, in der reichweitenstärksten Version gar für 600 WLTP-Kilometer gut sein soll. Geladen wir die mit bis zu 150 kW, die Ladezeit von 10 auf 80 Prozent beträgt so 45 Minuten.
Feine Verarbeitung, hochwertige Materialien und druckvoller Sound bestimmen das Ambiente im Mustang Mach-E GT.
So weit, so trocken. Was der Ford Mustang Mach-E GT sonst noch kann? Dir richtig eins auf die Birne klatschen. Neben der ganzen Family-, Ausflugs- und Spielzeugrealität bleibt nämlich auch Platz für 487 PS und 860 Nm aus zwei Elektromotoren, die sich über alle vier Räder in den Asphalt festbeißen. Damit kann man oben Genanntes in 4,4 Sekunden von Null auf Hundert hieven, und weiterfliegen, bis bei 200 km/h der Limiter greift. Das Elektro-Pony ist damit genauso schnell auf Landstraßentempo wie der Mustang Mach 1, nur dass aus dem Mach-E von hinten noch die Kinder hinüberwinken.
Elektro-Doping
Um von der Ampel weg derart vehement austeilen zu können, steht der Mach-E GT auf fetten 20-Zöllern samt 245er Gummis rundum. Darunter ist eine 19-Zoll Bremsanlage von Brembo verbaut, um den Vortrieb gegebenenfalls in die Schranken zu weisen. Dafür kann man dankbar sein. Immerhin ist die Mischung aus 2.348 Kilogramm Leergewicht, 487 PS und 860 Nm physikalisch nicht leicht zu nivellieren. Dazu kommt, dass man es ernst meint mit dem temperamentvollen Fahrmodus (ja, der heißt wirklich so): Die Leistungsabgabe verschiebt sich von den Vorder- zu den Hinterrädern, was zusätzliche Dynamik in die Kurvenfahrt zaubert. Das Fahrpedal kennt dann allerdings keine Grautöne mehr - beim Einparken schaltet man lieber auf "Zahm" zurück (ja, auch der Modus heißt wirklich so).
Drei Fahrmodi, um die Zügel anzuziehen: Zahm, Aktiv und Temperamentvoll. Für die Rennstrecke gibt's noch Temperamentvoll Plus mit freizügigem ESP.
Dass sich Performance indirekt proportional zur Reichweite verhält, ist bekannt. Die 98,7-kWh Batterie (netto: 91 kWh) hebelt diesen Umstand allerdings gut aus. Unserer Erfahrung nach lassen sich mit dem GT im Ortsgebiet und auf Landstraßen bis zu 450 Kilometer sammeln, auf reinen Autobahnetappen kommen etwas über 300 Kilometer zusammen. Das sind keine Rekordwerte, aber für die Fahrzeuggattung SUV durchaus ok.
Wer bereits Erfahrung mit Elektroautos vorweisen kann, den wird auch das Folgende nicht überraschen: Günstig ist der Mustang Mach-E GT nicht. Das liegt zum einen an der großen Batterie (8.000 Euro Aufpreis), zum anderen an der umfangreichen Ausstattungsversion. Im GT sind alle Optionen serienmäßig angehakt - LED-Matrix-Scheinwerfer, Premium-Polsterung, 360-Grad-Kamera, Keyless-Entry, Sportsitze, Bang & Olufsen Soundsystem, und so weiter, und so fort. Aufpreis gibt es nur für Farbe an Karosserie (1.100 Euro - 1.500 Euro) und Felgen (20-Zoll in schwarz-glanzgedreht: 450 Euro). Gönnt man sich auch das, stehen am Ende 81.850 Euro auf dem Zettel. Kein Kindergeburtstag. Aber günstig waren Muscle Car Träume hierzulande noch nie.
Ford Mustang Mach-E GT: Österreich-Preis, technische Daten, Reichweite, Verbrauch, Ladegeschwindigkeit
Testwagenpreis: € 81.850 brutto (Basispreis Ford Mustang Mach-E: € 56.900)
Bestellbar: Ab sofort. (Konfigurator)
Maximale Leistung: 358 kW/487 PS
0-100 km/h: 4,4 sek.
Vmax: 200 km/h
Leergewicht: 2.348 kg
Kofferraum: 402-1.420 Liter
Länge/Breite o.S./Höhe: 4.743/1.881/1.613 mm
Batteriekapazität: 75,7-98,7,4 kWh
Verbrauch (WLTP): 21,2 kWh/100 km
Reichweite (WLTP): 490 km
Ladung: 11 kW AC (10-80%: 7h10) | 150 kW DC (10-80%: 45 min)
Ganz schnell: Der Ford Mustang Mach-E GT ist ein Hochvolt-Muscle Car, dessen Datenkasten traditionell vor Superlativen strotzt: 358 kW bzw. 487 PS Leistung, 860 Nm Drehmoment, 4,4 Sekunden von 0-100 km/h, 200 km/h Vmax, aber auch 2.348 Kilogramm Leergewicht, 98,7 kWh Batteriekapazität und 21,2 kWh Durchschnittsverbrauch. Rein rechnerisch ergeben sich daraus 490 Kilometer Reichweite nach WLTP. In unserem Praxistest haben wir gut 400 Kilometer im Ortsgebiet und auf Landstraßen gesammelt. Gut 300 Kilometer Reichweite waren es auf der Autobahn. Preislich schlägt die GT-Version mit 79.990 Euro zu Buche. Den "braven" Ford Mustang Mach-E gibt es ab 56.900 Euro.
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