- Patrick Aulehla

- 11. Nov.
- 5 Min. Lesezeit
KIA EV6 GT-Line 326 PS Allrad im Langstreckentest: Reicht für die Weite
Eigentlich ist der Fisch ja schnell geputzt: Der KIA EV6 ist langstreckentauglich - 84 kWh netto Batteriekapazität und 258 kW DC-Ladeleistung sei Dank. Ein Problem gibt es aber: Die Ladekosten für das Schnellladen sind zu hoch.
Text: Patrick Aulehla | Fotos: KIA
Vor der Urlaubsfahrt mit dem KIA EV6 GT-Line braucht man sich nicht zu fürchten - das können wir aus folgenden Gründen bedenkenlos behaupten. Auf der Autobahn verbraucht die stylishe Crossover-Limousine rund 22 kWh Energie bei 130 km/h Geschwindigkeit, was bei 84 kWh Nettobatteriekapazität eine realistische Reichweite von etwa 350 Kilometern ergibt (inklusive 31 Kilometer Reichweitenpuffer).
Außerdem - und das ist auf der Langstrecke mindestens ebenso wichtig wie die tatsächliche Reichweite - kann der KIA EV6 mit bis zu 258 kW Schnellladen. Im Praxistest hält der EV6 eine Ladeleistung von 250 kW verhältnismäßig lange, entsprechend kurz sind die Stopps an den Ladestationen. In gut 20 Minuten ist die Antriebsbatterie von 10 auf 80 Prozent geladen. Will man sich im optimalen Ladefenster bewegen, also zwischen 10 und 80 Prozent Batteriekapazität, kann man rund 270 Kilometer weit 130 km/h schnell fahren, bevor man wieder 20 Minuten an den Schnelllader muss.
Will man also 800 Kilometer weit fahren, muss man insgesamt eine Stunde an Ladepausen (drei Mal 20 Minuten) und damit Nettozeitverlust gegenüber einem Verbrennerfahrer einkalkulieren, sofern dieser selbst und auch seine Passagiere frei von körperlichen Bedürfnissen sind. Realistisch betrachtet werden die allermeisten Autofahrer während einer 800 Kilometer langen Strecken zumindest einmal stehen bleiben, und sei es nur, um nachzutanken.

Ladekosten beim Hypercharging zu hoch
Es gibt allerdings eine Kehrseite der Medaille, die nicht den KIA EV6 als solchen betrifft, sondern die Elektromobilität im Allgemeinen. Die Ladekosten beim Hypercharging auf der Autobahn sind zu hoch. Je nach Anbieter variieren diese meist zwischen 0,65 Euro und 0,89 Euro pro kWh, wenn man einen Tarif ohne Grundgebühr nutzt. Rechnet man mit 0,65 Euro pro kWh, ergeben sich für die 270 Kilometer Reichweite des KIA EV6 Ladekosten von 38,22 Euro. Um das in ein Verhältnis zu setzen: Bei einem Benzinpreis von 1,51 Euro pro Liter entspricht das einem Benzinverbrauch von 9,5 Litern pro 100 Kilometer.
Noch drastischer fällt der Vergleich bei Ladekosten von 0,89 Euro pro kWh aus. Hier zahlt man für 270 Kilometer Nettoreichweite (also eine Ladung im optimalen Ladefenster zwischen 10 und 80 Prozent Batteriekapazität) bereits 52,33 Euro Ladekosten. Gehen wir wieder von einem Benzinpreis von 1,51 Euro pro Liter aus, würde unser EV6 rund 13 Liter Benzin pro 100 Kilometer verbrauchen. Zum Vergleich: Ein Porsche 911 Carrera verbraucht bei 130 km/h etwa acht Liter Benzin pro 100 Kilometer.
Diese Mehrkosten lassen sich relativieren, sofern man zuhause beispielsweise mittels eigener PV-Anlage laden kann und die Schnellladegebühren nur bei der Urlaubsfahrt bezahlt. Auch Firmenwagennutzer treffen die Ladekosten in der Regel nicht, weil sie über eine betriebliche Ladekarte verfügen. Der Privatfahrer ohne eigener Lademöglichkeit muss die möglichen Einsparungen (geringere motorbezogene Versicherungssteuer, geringere Servicekosten etc.) den Mehrkosten (Anschaffungspreis, Ladekosten etc.) allerdings sorgfältig gegenüberstellen, um herauszufinden, ob sich ein Elektroauto rechnet (rein ökonomisch, nicht ökologisch betrachtet). Denn: Auch langsames Laden kostet an öffentlichen Ladestationen Geld.

Annehmlichkeiten für die weite Fahrt
Hat man die hohen Ladekosten verdaut, kann man sich den schönen Seiten des Langstreckenfahrens mit dem KIA EV6 zuwenden. Dazu zählt etwa das umfassenden Angebot an Assistenzsystemen, allen voran der HDA2 (Highway Driving Assistent 2). Dieser kombiniert die Funktionen des adaptiven Tempomaten, des Spurhalteassistenten und des Spurwechselassistenten, um teilautonomes Fahren auf Autobahnen zu ermöglichen. Der Fahrer muss seine Hände zwar am Lenkrad halten (oder zumindest in regelmäßigen Abständen ans Lenkrad fassen), kann sich ansonsten aber auf die Geschicke des KIA verlassen.
Außerdem bietet der EV6 GT-Line in der von uns getesteten stärkeren Allrad-Variante gewaltige 240 kW/326 PS Leistung, die ihn in 5,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen und 188 km/h schnell fahren lassen (elektronisch abgeregelt). Um es kurz zu machen: Man hat immer mehr als genug Leistung - ganz gleich in welcher Fahrsituation man sich befindet.
Gemäß seiner Optik und Leistung federt der EV6 relativ straff, aber mit genügend Restkomfort. Die Lenkung wirkt ebenfalls sportlich direkt, aber nicht künstlich hart, Rückmeldung bietet sie genug, hier gibt es wenig zu kritisieren. Top: Im ADAC-Bremstest aus 100 km/h steht der KIA EV6 nach 31,6 Metern - das ist ein Top-Wert.
Infotainment und Bedienung top
Auch in Sachen Infotainment und Bedienung zeigt der KIA EV6 keine Schwächen. Das 12,3 Zoll große Infotainmentdisplay begeistert mit gestochen scharfen Grafiken und schneller Reaktion auf Eingaben, die Menüführung wirkt durchwegs logisch und gibt auch KIA-Neulingen keine Rätsel auf. Will man bestimmte Assistenzsysteme nicht nutzen (uns fallen da Geschwindigkeitswarner und Spurhalteassistent ein), kann man diese mit wenigen Klicks über die Stern-Taste am Lenkrad deaktivieren. Ehrensache: Kabellose Android Auto und Apple CarPlay Konnektivität ist serienmäßig an Bord.

Besonders lässig: Der KIA EV6 kommt mit V2L-Fähigkeit, kann mittels in der GT-Line serienmäßigen V2L-Adapter über den Ladeanschluss also Elektrogeräte mit Energie versorgen. Wer sich etwa im Campingurlaub befindet, kann seinen EV6 also als mobile Powerbank nutzen.
Platzangebot und Zuladung
Der Innenraum des KIA EV6 ist groß geschnitten, was besonders Passagiere von 1,90 Meter Körpergröße zu schätzen wissen. Diese kommen auch auf den Rücksitzen problemlos unter. Der Kofferraum schluckt 520 Liter hinter den Vordersitzen, und 1.325 Liter bei umgelegten Rücksitzen, was für die coupéartig geschnittene Form durchaus herzeigbar ist. Die Abmessungen des EV6 sind jedenfalls stattlich: Mit 4,70 Meter Länge, 1,88 Meter Breite und 1,55 Meter Höhe baut er ähnlich auf wie ein Tesla Model Y.

Preis und Garantie
Die Einstiegshürde in die KIA EV6 Welt fällt laut Österreich-Preisliste bei 49.190 Euro inklusive aller Steuern und Abgaben. Dafür bekommt man die bereits umfangreich ausgestattete Air-Variante mit Standard Range Batterie (62,9 kWh Batteriekapazität und 394 Kilometer WLTP-Reichweite). Das von uns getestete GT-Line Modell mit Allradantrieb, 326 PS Leistung, 84 kWh Batterie und bis zu 546 Kilometer WLTP-Reichweite kommt auf 64.190 Euro. Ein starkes Argument für den KIA EV6: Die Garantie von sieben Jahren auf das Fahrzeug.
Was wir gut finden: Die hohe Ladeleistung, die hohe Motorleistung, das schnelle und logisch zu bedienende Infotainmentsystem, das Platzangebot. Kurz gesagt: Vieles
Was wir nicht so gut finden: Das etwas zu harte Fahrwerk möglicherweise, wobei das gut zum Charakter des EV6 passt.
Man kauft ihn, weil: man Langstrecke elektrisch fahren möchte und außergewöhnliches Design attraktiv findet.
Vergleichbare Fahrzeuge: Hyundai IONIQ 5, VW ID.7, Polestar 4
KIA EV6 GT-Line 326 PS Allrad 84 kWh (2025): Technische Daten, Österreich-Preis, Leistung, Gewicht, Verbrauch, Reichweite
Testwagenpreis KIA EV6 GT-Line 84 kWh Allrad: € 64.190,00
Einstiegspreis KIA EV6 Air: € 49.190,00
Bestellbar: ab sofort (Konfigurator)
Maximale Leistung: 240 kW/326 PS
Drehmoment: 605 Nm
0-100 km/h: 5,3 Sekunden
Vmax: 188 km/h
Batteriekapazität: 84 kWh netto
Energieverbrauch (WLTP): 17,0 - 17,7 kWh/100 km
Reichweite (WLTP): 546 km
Reichweite im Test: 300 - 450 km
Ladung: 11 kW AC | 258 kW DC (10-80%: 18 min)
Leergewicht: 2.165 kg
Zulässiges Gesamtgewicht: 2.600 kg
Anhängelast gebremst/ungebremst: 1.800 kg/750 kg
Kofferraum: 520 - 1.325 Liter
Länge/Breite o.S./Höhe: 4.695/1.880/1.550 mm
Stützlast: 100 kg

















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