top of page

Polestar 2 BST edition 230 im Test: Deutlich schneller, aber auch deutlich besser?


Hat die Welt auf ein streng limitiertes Mittelklasse-Elektroauto gewartet? Ganz sicher nicht. Ist der Polestar 2 BST edition 230 damit überflüssig? Ganz sicher nicht.



Text: Patrick Aulehla | Fotos: Oliver Hirtenfelder
 

Bis vor wenigen Jahren noch galt für das Auto folgendes Gesetz: Performance und Umweltverträglichkeit verhalten sich indirekt proportional. Ein 700 PS V12 Sauger ist zwar schnell, laut und obergeil, aber er stützt sicher keine ökologischen Ambitionen. 400 Gramm CO2 pro Kilometer – photosynthier‘ that, du öde Thujenhecke.


Neue Zeiten, neues Glück

Wäre diese Polung immer noch gültig, hätte sich Polestar im Spagat längst die Beine gebrochen. Die schwedische Elektroautomarke verbeißt sich einerseits ins Thema Nachhaltigkeit hart – etwa mit dem Polestar 0 Project, das bis 2030 das erste wirklich klimaneutrale Fahrzeug hervorbringen soll. Ganz ohne Zertifikatschwindel oder Greenwashing-Blabla. Andererseits versteht man sich als hippe Performance-Schmiede, deren Autos den nicht minder hippen Passagieren ebenso vermögen, die Avocado-Bowl unfreiwillig aus dem Körper zu ziehen. Warum das plötzlich zusammengeht, ist uns allen längst klar: Die Motoren werden mit Strom betrieben.



Polestar 2 BST edition 230 Test Österreich

Power-Outlet: Unter der Polestar Haube warten 476 PS und 680 Newtonmeter


Ebenso klar ist: Die alles-ist-möglich-Skala lässt sich nicht mit leeren Behauptungen stützen. Deshalb gibt es am braven Ende das erwähnte Polestar 0 Project, und am bösen den Polestar 2 BST edition 230. Diese auf 230 Stück limitierte und mit allerlei Feinheiten ausstaffierte Topvariante des Zweier-Modells ist hier, um Beweise anzutreten. Nämlich, dass Elektroautos nicht nur auf Geraden, sondern auch in Kurven gewaltige Meter machen können. Dass es dafür eine Stückzahlbegrenzung braucht, ist weniger einer preistreibenden Verknappung als kapazitivem Realismus geschuldet. Eine definierte Kleinserie ist planbar und verhältnismäßig günstig – sozusagen eine Spielweise für vorwärtsorientierte Produktideen, von denen Polestar CEO Thomas Ingenlath einige hat.


Performance-Müsli für 83.500 Euro: Öhlins-Fahrwerk, Brembo-Bremsen, Pirelli P-Zero Reifen

Das aktuelle Ober-Beast (BST heißt ausgesprochen "Beast") Polestar 2 BST edition 230 ist mit 476 PS und 680 Nm zwar um kein Fohlen stärker als ein Polestar 2 mit Performance-Paket, in Summe aber trotzdem schneller. Das liegt an den Zutaten, die Polestar dem Beast ins Essen mischt: Ein in Zugstufe und Druckstufe verstellbares Öhlins Fahrwerk, eine große, speziell auf dieses Fahrzeug abgestimmte Brembo-Bremsanlage und hübsche 21-Zoll-Alus mit eigens angepassten Pirelli P-Zero Reifen. Um diese Assets an die langsameren Verkehrsteilnehmer zu kommunizieren, gibt es außerdem eine erträglich extravertierte Dekorbeklebung und allerlei Gold – als Lack, versteht sich, und nicht aufs Konto.




Links: Brembo-Bremse, 21-Zöller und P-Zero Reifen. Rechts: Das einstellbare Öhlins-Fahrwerk.


Wer mit dem Polestar 2 BST edition 230 also auf eine Kurve zubrettert, wird zwei Dinge merken: Erstens verzögert das Auto sehr gut, trotz der üppigen 2.188 Kilogramm Leergewicht. Und: Das Öhlins-Fahrwerk bringt Ruhe ins Auto, nicht nur Härte. Mit dem richtigen Setup drückt es die Pirelli-Gummis tief in den Boden und sie bleiben dort, auch wenn man wieder den Strom aufdreht. 476 PS und knapp 700 Newtonmeter können sogar einen Allradantrieb ins Schwitzen bringen – im BST davon aber keine Spur. Man fährt wie auf Schienen, wird herauskatapultiert selbst aus engsten Ecken.


Und weil wir mit dem mehr oder weniger baugleichen Vorgängermodell, dem Polestar 2 BST edition 270, im letzten Jahr auf der Ascari-Rennstrecke waren (hier der Bericht), können wir sagen: Dieses Auto hält auch harte Gangart durch. Die Variabilität des Fahrwerks ist dabei erstaunlich - zwischen wohlwollender Sänfte und markerschütternder Härte ist mit den Öhlins-Dämpfern alles möglich. Das geht theoretisch auch im Alltag: durch die unkomplizierte Einstellmöglichkeit über die Ausgleichsbehälter im Frunk. Montag bis Freitag auf locker, am Wochenende dann ernst.


Ist schneller automatisch besser?

Ob dieses zugespitzte Fahrerlebnis dem Gesamtkonzept Polestar 2 die Kirsche aufsetzt? Nicht unbedingt. Zwar erhöhen die edlen Komponenten Fahrdynamik und Seltenheitswert. Andererseits fährt auch ein Basis-Polestar 2 schon ziemlich gut – wirklich profitieren werden von der BST-Version nur Fahrdynamik-Feinspitze, die den zusätzlichen Aufwand an Fahrwerk und Bremsen zu schätzen wissen. Er kommt nämlich mit erheblichen Mehrkosten, die man tragen wollen muss.


Diejenigen, die ein einigermaßen flottes, hauptsächlich gemütliches und reichweitenstarkes Elektroauto suchen, werden zur gewöhnlichen Long Range Single Motor Variante greifen. Die ist mit 272 PS und 490 Newtonmeter ebenfalls nicht untermotorisiert, aber deutlich günstiger und mit 655 statt 460 Kilometer WLTP-Reichweite obendrein ausdauernder. Der größte Genuss in einem Polestar 2 bleibt für uns nämlich die Perfektion des Zusammenlebens, umgesetzt durch das herrlich intuitive Google-Betriebssystem, die saubere Verarbeitung und das moderne, bis ins kleinste Detail durchdachte Design. Da muss man nicht immer den schnellsten Weg wählen.




Recycling als Designobjekt: Der Innenraum des Polestar 2 ist nicht nur nachhaltig, sondern sieht auch toll aus. Und: Das Polestar Bediensystem mit Google-Integration zählt zu den besten seiner Art.

 

Polestar 2 BST edition 230: Technische Daten, Österreich-Preis, Leistung, Gewicht, Verbrauch

Testwagenpreis: € 83.500 brutto (Basispreis Polestar 2 Singe Motor: € 51.190)

Bestellbar: Ab sofort. (Konfigurator)

Maximale Leistung: 350 kW/476 PS

Drehmoment: 680 Nm

0-100 km/h: 4,4 sek.

Vmax: 205 km/h


Leergewicht: 2.188 kg

Kofferraum: 412 Liter

Länge/Breite o.S./Höhe: 4.606/1.859/1.454 mm

Batteriekapazität: 78 kWh netto

Verbrauch (WLTP): 17,0 /100 km

Reichweite (WLTP): 460 km

Ladung: 11 kW AC (0-100%: 7h30) | 205 kW DC (10-80%: 28 min)


Ganz schnell: Der Polestar 2 BST edition 230 ist ein streng limitiertes Performance-Modell des Polestar 2. 476 PS und 680 Nm beschleunigen den Polestar 2 in 4,4 Sekunden von Null auf Hundert. Am meisten Spaß liegt aber nicht auf der Geraden, sondern in den Kurven: Mit Öhlins-Fahrwerk, Brembo-Bremsen und Pirelli P-Zero Reifen fährt man wie auf Schienen. Allerdings haben die Performance-Anpassungen ihren Preis: Die Reichweite ist mit 420 Kilometern nach WLTP deutlich geringer als etwa die des Long Range Single Motor Modells. Preis: Ab 83.500 Euro.


 


Ähnliche Beiträge

Alle ansehen
bottom of page